Update der Empfehlungen für Multiple-Sklerose-Erkrankte inklusive Update der Empfehlungen zur Corona-Schutzimpfung
Über Jahrzehnte haben Ärzte MS-Erkrankte vor Impfungen gewarnt. Impfgegner schüren auch weiterhin Vorbehalte u.a. gegen die Covid-19 Impfung und verunsichern durch Falschinformationen. Bitte achten Sie daher auf verlässliche Quellen, aus denen Sie ihre Informationen beziehen.
Zu Impfungen mit Tot-Impfstoffen bei MS-Erkrankten wurden in den letzten Jahren viele Daten veröffentlicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Impfung mit Tot-Impfstoff einen Schub auslösen könnte, ist demnach extrem gering. Auch das Auftreten einer MS oder einer anderen chronischen Autoimmunerkrankung nach einer Impfung konnte durch eine umfangreiche Untersuchung nicht bestätigt werden. In Einzelfällen traten ungewöhnliche neuroimmunologische Erkrankungen zeitlich im Zusammenhang mit mRNA-Impfungen auf. Impfungen mit Lebendvirus-Impfstoffen werden etwas kritischer beurteilt, da sie eine stärkere Immunreaktion hervorrufen. Dennoch besteht auch hier keine absolute Gegenanzeige. Im Einzelfall muss immer abgeschätzt werden, welches regionale Risiko die Krankheit in sich birgt, vor der die Impfung schützen soll und welches Risiko die Impfung mit sich bringt.
Wir wissen, dass nach Infekten das Schubrisiko erhöht ist. Im Vergleich dazu ist das Schubrisiko nach einer Impfung, wenn es dieses überhaupt gibt, sehr gering. Jede Impfung ist eine Abwägung zwischen der Angst vor der Impfung und der Angst vor der Infektionskrankheit und ihren Folgen, die durch das Impfen aber mit hoher Wahrscheinlichkeit verhindert wird.
Da die Covid-19-Infektion in knapp über zehn Prozent der Fälle in Abhängigkeit vom Alter und anderen Risikofaktoren einen schweren Verlauf für Ungeimpfte nimmt, empfehlen wir MS-Erkrankten nach heutigem Stand, sich und andere durch die Impfung zu schützen. Zudem können auch nach einer mild verlaufenden Infektion langanhaltende Symptome (Long Covid) auftreten, wie Geschmacksstörungen und, für MS-Erkrankte besonders beeinträchtigend, chronische Müdigkeit, Fatigue und Depressionen (vgl. Robert-Koch-Institut).
Durch eine Virusinfektion?
Wenn ein Krankheitserreger - in diesem Fall das SARS-CoV-2-Virus - in den Körper eindringt, sucht er sich eine Wirtszelle, in der er sich vermehren kann. Hierzu benutzen alle Viren ihr Erbgut (bestehend aus RNA oder DNA), das heißt bei jedem Virusinfekt ist fremde RNA/DNA in der Zelle. Nur so kann sich das Virus vermehren. Der Körper versucht dann, das Virus durch sein Immunsystem zu eliminieren und benutzt dazu Abwehrzellen und die Bildung von Antikörpern. Nach einer abgelaufenen Infektion lassen sich in der Regel diese virusspezifischen Antikörper (B-Zell Aktivität) nachweisen und bieten zusammen mit der Immunität auf zellulärer Ebene (T-Zell Aktivität) einen Schutz vor einer erneuten Infektion.
Durch eine Impfung?
Eine Impfung soll den Körper vor Erkrankungen schützen, obwohl dieser noch nie mit dem Erreger der Erkrankung konfrontiert wurde. Sie ist somit eine klassische Präventionsmaßnahme. Dabei wird mechanistisch das körpereigene, adaptive (erworbene) Immunsystem mit einem nicht mehr krankmachenden Erreger oder eines seiner Bestandteile stimuliert. Als Folge wird ein sogenanntes Immungedächtnis aufgebaut, so dass bei einer Konfrontation mit dem eigentlichen, echten Erreger, der Körper bereits über die Werkzeuge für eine spezifische und schnelle Immunabwehr verfügt. Eine Erkrankung wird damit verhindert oder deutlich in ihrer Schwere abgeschwächt. Für SARS-CoV-2 gibt es Hinweise, dass geimpfte Personen in geringerem Maße zur Verbreitung des Virus beitragen im Vergleich zu nicht geimpften Personen. Man nimmt an, dass die Virusübertragung (Transmission) aufgrund geringerer Virusmengen und/oder weniger langer Besiedelung des Nasen-Rachen-Raums reduziert ist.
Eine MS stellt grundsätzlich keine Kontraindikation (Gegenanzeige) für Impfungen dar. Impfungen lösen keine MS aus und eine Auswirkung auf die Krankheitsaktivität ist eher unwahrscheinlich. Durch Impfungen vermeidbare Infektionen können einerseits schwerwiegende Erkrankungen verursachen, andererseits bei MS-Erkrankten darüber hinaus Schübe auslösen und zur Krankheitsverschlechterung beitragen. Dieses Risiko ist grundsätzlich höher einzuschätzen als potenzielle Risiken durch Impfungen. MS-Erkrankte sollten daher entsprechend den von der Ständigen Impfkommission (STIKO) des RKI empfohlenen Impfungen im Erwachsenenalter geimpft werden. Grundsätzlich sollte man sich nur impfen lassen, wenn man sich selbst wohl fühlt, keine Anzeichen eines Schubes verspürt und auch nicht erste Symptome einer Erkältung bemerkt.
Für Impfungen unter MS-Therapien sind allerdings einige Hinweise zu berücksichtigen. Bei einigen Immuntherapien gibt es Hinweise auf ein vermindertes Ansprechen (siehe „MS-Medikamente und Corona-Schutzimpfung“). Die Datenlage hierzu wird ständig noch ergänzt.
Grundsätzlich sind Impfungen mit Tot-Impfstoffen auch unter Therapien, die Immunzellen aus dem Körper entfernen („Zell-depletierende Therapien“) oder auf andere Art immunsuppressiv wirken, möglich. Das Ansprechen auf die Impfung kann unter solchen Therapien allerdings vermindert sein. Bei Lebend-Impfstoffen (wie Gelbfieber, Masern, Mumps, Röteln, Varizellen) können aber verstärkte Impfreaktionen auftreten. Die Anwendung von Lebend-Impfstoffen sollte bei MS-Erkrankten und insbesondere unter MS-Therapien gut und gewissenhaft abgewogen werden. Lebend-Impfungen unter Ocrelizumab, Ofatumumab, Ublituximab, Rituximab, Alemtuzumab, Cladribin, Fingolimod, Siponimod, Ozanimod, Ponesimod, Natalizumab oder Mitoxantron sind zu vermeiden.
Die meisten der von der STIKO im Erwachsenenalter und für Ältere empfohlenen Impfungen sind Tot-Impfstoffe und können auch für MS-Erkrankte uneingeschränkt empfohlen werden. Vor Beginn einer MS-Therapie sollte immer der Impfstatus kontrolliert und ggf. fehlende Impfungen mit Lebend-Impfstoffen nachgeholt werden, wenn die MS-Therapie entsprechend verschiebbar ist.
- Tot-Impfstoffe bestehen aus nicht mehr reproduktionsfähigen Krankheitserregern bzw. deren Bestandteilen: Sie lösen eine schwächere Immunantwort als Impfstoffe mit reproduktionsfähigen Krankheitserregern aus und enthalten verschiedene Zusatzstoffe (Adjuvanzien) als Hilfsstoffe (Beispiel Tetanus). Um die spezifische Immunreaktion auf den Impfstoffen zu steigern, werden in der Regel nach einem bestimmten Schema Auffrischungsimpfungen mehrmals verabreicht. Die erreichte Immunität hält meist nur über einen beschränkten Zeitraum an.
- Lebend-Impfstoffe bestehen aus einer geringen Menge abgeschwächter (attenuierter), aber lebendiger, d.h. vermehrungsfähiger Krankheitserreger (Beispiel Masern) lösen eine stärkere Immunantwort aus und die erreichte Immunität hält meist lebenslang an. Selten können vorübergehend ähnliche Beschwerden wie bei der Krankheit selbst auftreten.
- Vektorbasierte Impfstoffe (Nukleinsäure basiert, gleichzusetzen mit Tot-Impfstoffen): Mit einer sog. Fähre (in der Regel ein nicht vermehrungsfähiges und für Menschen harmloses Virus) werden definierte Erbinformationen von Virusbestandteilen in den Körper gebracht. Vektorimpfstoffe wurden neben Covid-19 schon für Ebola und Dengue-Fieber entwickelt.
- Impfstoffe auf der Basis nachgebauter Erregerbestandteile: Einfach herzustellen, hohe Sicherheit, benötigen aber oft mehrere Zusatzstoffe.
- DNA-Impfstoffe (Nukleinsäure basiert, gleichzusetzen mit Tot-Impfstoffen): Injizierte Gene simulieren die entsprechende Infektion. Diese Impfstoffe sind relativ einfach und günstig herzustellen.
- RNA-Impfstoffe (Nukleinsäure basiert, gleichzusetzen mit Tot-Impfstoffen): Teile der Bauanleitung (RNA) des Erregers werden beispielweise in Micro-Fetttröpfchen verpackt und in den Körper injiziert. Die RNA gibt die Information an die Zelle und wird dann schnell abgebaut. Die Zelle produziert auf Basis dieser Information Teile des Erregers, die die für eine Immunität notwendigen Abwehrreaktionen auslösen. Es erfolgt keine Veränderung des Erbguts beim Geimpften! (
- Impfungen mit virusähnlichen Partikeln: Proteine u.a. der Erregerhülle werden biotechnologisch hergestellt und lösen bei der geimpften Person eine Immunantwort aus.
Nach § 2 der sechsten Coronavirus-Impfverordnung (29.12.2022) besteht ein Anspruch auf Folge- und Auffrischimpfungen. Sind Abweichungen vom Impfschema der STIKO-Empfehlung aus wichtigem Grund erfolgt, soll das Impfschema der STIKO danach weiter fortgesetzt werden.
Sprechen Sie Ihren Hausarzt wegen eines Impftermins, auch für die Booster-Impfung aktiv an. Die neuen angepassten Impfstoffe stehen seit 18. September 2023 zur Verfügung. Einen Überblick über die Regelungen der Bundesländer erahlten Sie hier: https://www.infektionsschutz.de/coronavirus/ (BZgA)
Sie erhalten verlässliche Kurzinformationen zu ausgewählten Impfstoffen, auf der Website des Institutes für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG).
Wir empfehlen Ihnen auch das aktuelle Faktenblatt zu den Covid-19-Impfungen des RKI.
Zusätzlich können Sie sich auch über die offiziellen Dokumente der Behörden beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und der Europäischen Arzneimittel Agentur (EMA) informieren. Hier sind auch die in Form von sogenannten Roten Handbriefen seltenen, nach Zulassung beobachteten Nebenwirkungen der verschiedenen Impfstoffe nachzulesen. (Link) Das PEI dokumentiert in seinen Sicherheitsberichten auch alle gemeldeten Nebenwirkungen und Impfkomplikationen der Impfung, jedoch keine MS-spezifische Auswertung.
Die Impfung und Auffrischungsimpfungen (Booster) gegen das Coronavirus (SARS-CoV-2) sind weiterhin zu empfehlen. Zum Einsatz der Covid-19-Impfstoffe bei Personen mit Autoimmunerkrankungen und/oder immunmodulierenden/-supprimierenden Therapien liegen keine Daten/Erkenntnisse aus den Zulassungsstudien vor und die genannten Einschätzungen beruhen auf vereinzelten, internationalen Berichten zu Covid-19 Impfstoffen bei MS-Erkrankten, dem Wissen über die Wirkmechanismen der MS-Therapien sowie der Wirksamkeit von Covid-19 unabhängigen Impfstoffen bei MS .
Die bislang verfügbaren Daten sprechen dafür, dass das Risiko einer Infektion und damit einhergehende mögliche Verschlechterung bei weitem schwerer wiegt als eine Impfung mit den bisher in der EU zugelassenen Impfstoffen und den bekannten Nebenwirkungen.
Es gilt, dass für eine Impfung eine MS-Therapie nicht unterbrochen werden sollte, da die Auswirkungen der Unterbrechung auf die MS als problematischer einzuschätzen sind als eine geminderte Immunantwort durch die MS-Therapie (siehe auch MS-Medikamente und Corona-Schutzimpfung).
Wir empfehlen die Corona-Schutzimpfung für MS-Erkrankte mit allen in der EU zugelassenen Covid-19-Impfstoffen unter Einhaltung der nationalen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO). Diese sieht u.a. m-RNA-basierte Impfstoffe für immundefiziente Personen mit einer erwartbar verminderten oder sogar ausbleibenden Impfantwort vor.
Weiterführende Infos sind unter MS-Medikamente und Corona-Schutzimpfung zu finden.
Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Corona-Schutzimpfung einen Schub auslöst oder sich auf die Progression auswirkt, wird nach Erfahrungen mit anderen Impfstoffen als extrem gering eingeschätzt (siehe auch unsere allgemeine Einschätzung weiter oben).Auswertungen der laufenden Impfbeobachtungsstudie des MS-Registers der DMSG zeigen keine Auffälligkeiten bei der Verträglichkeit und insbesondere keine erhöhte Schubwahrscheinlichkeit.
Ein mögliches Schubrisiko oder eine Auswirkung auf die MS-Krankheitsaktivität wird unter:
- mRNA-basierten Corona-Impfstoffen (Comirnaty und Spikevax) als gering eingeschätzt.
- vektorbasierten Corona-Impfstoffen (Vaxzeria und Jcovden) als gering eingeschätzt.
- Corona-Impfstoffen auf Basis nachgebauter Erregerbestandteile (Bimervax, Nuvaxovid und VidPrectyn Beta) kann derzeit noch nicht eingeschätzt werden. Erste Auswertungen zeigen ähnliche Nebenwirkungen wie bei den anderen Impfstoffen
- Corona-Tot-Impfstoffen (COVID-19 Vaccine Valnevy) , eine Totvaccine , ist hinsichtlich seltener schwerwiegender Nebenwirkungen noch nicht beurteilbar
Alle Impfungen können in extrem seltenen Fällen Autoimmunreaktionen hervorrufen, die auch das Nervensystem betreffen – akute Polyneuritis, Querschnittsmyelitis, akute Enzephalitis. Solche Fälle werden inzwischen auch bei den Impfungen gegen Covid-19 berichtet (siehe Link). Im Einzelfall ist es schwierig zu entscheiden, ob es sich hier um ein zufälliges zeitliches Zusammentreffen mit der Impfung handelt.
Wenn Sie im zeitlichen Zusammenhang (innerhalb von sechs Wochen) mit der Impfung gegen Covid-19 einen Schub erlitten haben, kann das ein Zufall sein. In der israelischen Studie (Achiron et al) wurde ein Schubrisiko von ca. zwei Prozent nach der Impfung mit dem Impfstoff Comirnaty (BioNTech) beobachtet, was aber der erwarteten Schubhäufigkeit in diesem Zeitraum entsprach. Ergebnisse der Impfbeobachtungsstudie des MS-Registers unterstreichen diesen Wert. Im Einzelfall sollten Sie mit Ihrem Neurologen besprechen, wie er den Schub in Zusammenhang mit der Impfung in Bezug auf Ihren bisherigen Verlauf einschätzt.
Bei sehr selten vorkommenden MS-Schüben in engem zeitlichen Zusammenhang nach einer SARS-CoV-2-Impfung empfehlen wir die Booster-Impfung möglichst lange (mindestens vier bis sechs Wochen) über die empfohlenen zeitlichen Abstände hinaus aufzuschieben (Intervalle lt. STIKO-Empfehlung) bzw. in Absprache mit dem behandelnden Facharzt (Neurologen) in Erwägung zu ziehen, vorerst keine Auffrischungsimpfung wahrzunehmen. Sofern Sie keine immunsupprimierenden oder depletierenden Therapien anwenden, kann eine Antikörpertiterbestimmung nach der Impfung Auskunft darüber geben, ob Sie durch die Impfung zunächst ausreichend geschützt sind. Aber auch in dieser Situation ist zu beachten, dass die gemessenen Titer mit der Zeit abfallen und der Impfschutz damit nachlässt. Näheres zu den Immuntherapien und Schüben bzw. der Impfung erfahren Sie weiter unten.
Vor der Immuntherapie:
Vor Beginn einer MS-Therapie sollte immer der Impfstatus kontrolliert und ggf. fehlende Impfungen nachgeholt werden. Zeitlich sollten die Impfungen. ca. zwei bis vier Wochen vor Beginn einer langfristigen Immuntherapie abgeschlossen sein, wenn die MS-Therapie entsprechend verschiebbar ist. Je nach Krankheitsaktivität kann individuell eine frühere Einleitung der MS-Therapie erwogen werden. Ein Herauszögern des Beginns einer MS-Therapie aufgrund einer (anstehenden) Covid-19-Impfung oder aktuell der Boosterung ist je nach Wirkstoff der MS-Therapie, der Schwere der MS-Erkrankung bzw. der MS-Krankheitsaktivität und der individuellen Risikoabschätzung einer Infektion mit SARS-CoV-2 abzuwägen.
Während der Immuntherapie:
Es liegen aktuell erste Daten zu Impfantworten auf die Corona-Impfung unter den verschiedenen Immuntherapien vor (s.u.). Allerdings lässt die Datenbasis derzeit nur eine erste Abschätzung weniger hochaktiver Therapien zu. Mit hoher Wahrscheinlichkeit kann dennoch der Impferfolg, aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit anderen Impfstoffen (z.B. der Grippeimpfstoffe), auf die Corona-Impfstoffe übertragen werden. Sollte die Impfantwort als möglicherweise vermindert eingeschätzt werden, kann eine Antikörperbestimmung nach der vollständig durchgeführten Impfung erfolgen. Deren Aussagekraft ist allerdings vorsichtig zu interpretieren, da auch milde Covid-19-Verläufe bei Personen ohne entsprechende Antikörpertiter berichtet wurden.
Das RKI empfiehlt MS unabhängig,
- dass bei einer anstehenden Impfstoffgabe immunsupprimierende oder immunmodulierende Therapien weitergeführt werden können.
- für die bestmögliche Impfwirksamkeit den Zeitpunkt der Impfung mit einer möglichst geringe Immunsuppression zu wählen. D.h., dass der Impfzeitpunkt zum Beispiel in die Mitte der Verabreichungsintervalle der immunsupprimierenden oder immunmodulierenden Medikation gelegt werden sollte.
Schubaktivität vor geplanter Impfung:
Ein Schub sollte, mit und ohne hochdosierte Schubtherapie, mindestens sechs Wochen zurückliegen bevor eine Impfung gegen Covid-19 erfolgt. Dies gilt auch, wenn in einer MRT-Kontrolle, auch ohne neue Symptome, Kontrastmittel aufnehmende Herde nachgewiesen wurden.
Nachfolgend sind alle den Verlauf beeinflussenden MS-Therapien mit den bereits vorliegenden Erfahrungen und Erkenntnissen in Bezug auf Impfungen aufgeführt:
- Alemtuzumab (Lemtrada): In den ersten sechs Monaten nach einem Therapiezyklus der Therapie erfolgen noch abgeschwächte Impfantworten, von daher sollte der Abstand mindestens sechs Monate betragen.
- Azathioprin (Imurek): Abgeschwächte Immunantworten in Abhängigkeit von der Dosierung (siehe auch nachfolgende Übersicht).
- B-Zell depletierende Therapien (Ocrelizumab/Ocrevus, Ofatumumab/Kesimpta, Rituximab/Mabthera u.a. (off-Label), Ublituximab/Briumvi usw.: Erste Antikörperbestimmungen nach erfolgter Corona-Schutzimpfung bei MS-Erkrankten, die mit B-Zell depletierenden Therapien behandelt wurden, zeigen, dass nach Impfungen mit dem BioNTech-Impfstoff, geimpft vier bis sechs Monate nach der letzten Infusion, nur ein 20-prozentiges Ansprechen bezüglich des Impftiters erfolgt (Achiron A.). Wieweit der weitere Schutzmechanismus einer Impfung, die T-Lymphozyten vermittelte, ausreichend zelluläre Immunität besteht, wird aus Berichten verschiedener Forschungslabore als überraschend gut eingeschätzt. Inzwischen liegen aus zwei Studien Daten zur Impfantwort unter Ocrelizumab vor, die zeigen, dass ein Teil der Behandelten keine ausreichenden Antikörper gegen das Spike Protein bilden, aber die zelluläre Abwehr der unbehandelten Vergleichsgruppe weitgehend entspricht. (Apostolidis et al/Brill et al). Für die neue Variante Omikron soll die zelluläre Abwehr ganz besonders wichtig sein. Eine erste Studie (Faissner S.) für MS-Erkrankte unter Ofatumumab zeigt, dass die Impfung im ersten Jahr der Therapie noch zu Impfantworten führt. Auffrischungsimpfungen der Corona-Schutzimpfung erhöhen die Antikörpertiter(Ziemssen T.). Empfohlen werden kann eine Impfung am besten vier Monate nach der letzten Infusion. Sollten keine ausreichenden Titer festgestellt werden, werden weitere Impfungen empfohlen.
- Cladribin (Mavenclad): Bisherige Daten zeigen ein Impfansprechen auf den Corona-Impfstoff von BioNTech, ca. drei bis vier Monate nach der letzten Tabletteneinnahme (Achiron A.). Die Impfung erfolgt am günstigsten dann, wenn sich die Lymphozytenzahl weitgehend normalisiert hat, in der Regel drei Monate nach der letzten Tablettengabe. Erste Berichte an kleinen Patientenkollektiven haben Impferfolge bereits ein bis zwei Wochen nach letzter Tabletteneinnahme gezeigt – dies bedarf noch der Bestätigung durch andere Gruppen.
- Cortison-Therapie: Die übliche Schubtherapie beeinflusst Impfantworten. Impfungen sollten frühestens zwei Wochen, besser vier Wochen nach einer Hochdosistherapie erfolgen.
- Dimethylfumarat (Tecfidera) und Diroximelfumarat (Vumerity): Keine Hinweise auf verminderten Impfschutz.
- Glatirameracetat: (Copaxone 20 und 40, Clift): Impfreaktion gegen Grippe etwas geringer, aber ausreichend; gegen Corona ähnlich erwartet.
- Immunglobuline: Immunglobuline sind körpereigene Immunfaktoren und enthalten viele Antikörper. Sie bieten daher einen gewissen Schutz gegen verschiedene Virusinfekte. Es ist aktuell bereits anzunehmen, dass die in Deutschland verwendeten Immunglobuline schon relevante Antikörper gegen SARS-CoV-2 enthalten. Im Allgemeinen dürften diese Antikörper jedoch niedrigtitrig sein und den Impferfolg nicht verschleiern. Weiterhin werden bereits aus dem Blutplasma von Covid-19 genesenden SARS-CoV-2-Antikörper gewonnen und therapeutisch eingesetzt.
- Interferon-beta (Avonex, Betaferon, Extavia, Plegridy, Rebif 22 und 44): Impfungen gegen Grippeviren zeigten eine gegenüber nicht Interferon-beta Behandelten vergleichbare Impfantwort. Bezüglich der Covid-19-Impfungen gibt es vereinzelt Hinweise, dass eine Therapie mit Interferon-Präparaten keinen Einfluss auf die Impfantwort hat. Ein Therapiebeginn mit Interferonen-Präparaten sollte nicht aufgrund einer noch ausstehenden Covid-19-Impfung verschoben werden. Während der Therapie ist, wenn möglich, die Impfung zeitlich jeweils an einem anderen Tag als die Interferon-Applikation zu legen.
- Mitoxantron (Novantron, Ralenova): Aufgrund des Wirkungsmechanismus ist während der Therapiezyklen eine verminderte Impfantwort zu erwarten, die auch nach Beendigung des letzten Zyklus, der langfristige Blutbildveränderungen mit sich bringt. Es sollte mindestens ein Abstand von sechs Monaten nach der letzten Gabe zur Durchführung einer Corona-Schutzimpfung eingehalten werden.
- Natalizumab (Tysabri): Impfantworten gegen Grippeviren waren etwas vermindert, aber ausreichend. Bzgl. der Covid-19-Impfungen gibt es vereinzelt Hinweise, dass eine Therapie mit Natalizumab keinen Einfluss auf die Impfantwort hat, sodass die regelmäßigen Infusionen mit der Corona-Schutzimpfung auch zeitnah einhergehen können.
- Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor Modulatoren (Fingolimod/Gilenya, Ozanimod/Zeposia, Siponimod/Mayzent und Ponesimod/Ponvory): Unter der Therapie mit Fingolimod ist ein reduzierter Impferfolg zu berücksichtigen. Erste Antikörperbestimmungen nach erfolgter Corona-Schutzimpfung bei MS-Erkrankten, die mit Fingolimod behandelt werden, zeigen, dass nach Impfungen mit dem BioNTech-Impfstoff nur selten Antikörperentwicklung nachweisbar war (Achiron A.). Bei den Neuen Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor Modulatoren (Siponimod, Ozanimod, Ponesimod) kommt es in den meisten Studien zu einem guten Impferfolg.. Man sollte sich hier vergegenwärtigen, dass die Patienten hiermit maximal 17 Monate behandelt sind und keine Langzeit-Beeinflussung des Immunsystems vorliegt. Eine Unterbrechung einer Therapie mit Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Modulatoren zur Durchführung der Corona-Schutzimpfung ist aufgrund der bekannten, ungünstigen „Rebound-Effekte“ aus unserer Sicht nicht zu empfehlen.
- Autologe Knochenmarkstransplantation (sog. Stammzelltherapie): Es sind mindestens sechs Monate Abstand zwischen Stammzelltransplantation und Impfung zu empfehlen, um eine ausreichende Impfantwort zu erreichen.
- Teriflunomide (Aubagio): Unter Aubagio kann der Impferfolg bei üblichen Impfungen reduziert sein, wird aber im Allgemeinen als ausreichend angesehen. Die Impfantworten können auch noch nach Absetzen der Therapie für einige Monate vermindert sein.
Für die Covid-19-Schutzimpfung liegen derzeit keine Berichte über verminderte Immunität nach Impfung vor.
Die Wirkung der aktuell verfügbaren neutralisierenden monoklonalen Antikörpern (nMAB) wird hinsichtlich der neuen Virusvarianten als nur schwach eingeschätzt. Die sogenannten Virostatika (antivirale Medikamente) wie Paxlovid®, Veglury®, Lagrevio® in der Frühphase (innerhalb von 5 Tagen nach Auftreten) einer Erkrankung mit dem SARS-CoV-2-Virus bei Menschen mit Immundefizienz (auch immunsupprimierte MS-Erkrankte) können aber einen schweren Verlauf verhindern. Für Infizierte mit hohem Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf – auch solchen mit fehlender oder unvollständiger Immunisierung – ist in den ersten Tagen nach Symptombeginn eine frühzeitige Gabe möglich. Eine unvollständige Immunisierung kann insbesondere bei immunsupprimierten Patienten trotz adäquat durchgeführtem Impfschema vorliegen, oder wenn die Grundimmunisierung mehr als 6 Monate zurückliegt und keine Boosterung bzw. zwischenzeitlich keine Corona-Infektion erfolgte.
Wir empfehlen Ihnen, bei Eintreten einer SARS-CoV-2-Infektion und vorhandener Immundefizienz (immunsupprimierte MS-Erkrankte) sich umgehend mit Ihrem behandelnden Neurologen in Verbindung zu setzen. Die Behandlung muss schnell begonnen werden, auf Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten ist zwingend zu achten. Ersten Studien zufolge flammt bei bis zu 6% der Behandelten die Infektion auch nach der Behandlung wieder auf.
Die Anzahl der Antikörper, die nach einer Impfung festgestellt werden, kann Auskunft über den Impfschutz geben (Antikörpertiterbestimmung). Die Höhe hängt von der individuellen Immunreaktion ab und kann stark variieren. Sie ist zudem altersabhängig und kann unter einer immunsuppressiven Behandlung ganz ausbleiben.
Das Ausmaß der akuten Impfreaktion, d. h. ob Nebenwirkungen nach der Impfung aufgetreten sind oder nicht, sagt nichts über den tatsächlichen Impfschutz aus.
Während es für die seit vielen Jahren gebräuchlichen Impfungen gesicherte Daten gibt, ob die Höhe der nachgewiesenen Antikörper für einen ausreichenden Schutz zum Beispiel gegen Masern, Polio oder Windpocken sprechen, ist dies für das SARS-CoV-2-Virus noch nicht genauer bekannt. Darüber hinaus hängt die Menge der Antikörper davon ab, zu welchem Zeitpunkt sie gemessen werden, da sie zunächst bis ca. 6 Wochen nach der Impfung ansteigen und dann wieder abfallen. Der Abfall der Antikörper geht aber wohl mit nachlassendem Schutz einher und erfordert deshalb eine Booster- oder Auffrischungsimpfung.
Selbst bei einer niedrigen Antikörperkonzentration kann der Schutz ausreichen, da über Gedächtniszellen nach erneutem Kontakt mit dem Erreger die Antikörper wieder verstärkt gebildet werden.
Die Antikörpertests werden von verschiedenen Herstellern angeboten und die Ergebnisse sind nicht direkt vergleichbar. Es wird das Verhältnis der vorliegenden Probe zu einer den Grenzwert darstellenden Referenzprobe angegeben.
Die zelluläre Abwehrkraft mittels T-Zell-Tests zu untersuchen, wird kommerziell angeboten, aber auch hier kann man heute noch nicht von dem Ausmaß der Reaktion der T-Zellen auf den Schutz des Einzelnen vor einer Covid-19-Infektion Rückschlüsse ziehen. Auch in diesem Fall muss eine Kostenübernahme im Vorfeld mit der Krankenkasse geklärt werden.
Nach derzeitigem Wissensstand besteht kein primär erhöhtes Infektionsrisiko aufgrund der MS. MS-Erkrankte, die keine immunmodulierende Therapie erhalten oder eine immunmodulierende Therapie mit Interferon beta (Avonex, Extavia, Betaferon, Plegridy, Rebif) oder Glatirameracetat (Copaxone, Clift) erhalten, sind grundsätzlich nicht stärker infektionsgefährdet als gleichartige gesunde Personen [Luna G et al].
- Informationen zu weiteren Wirkstoffen finden Sie weiter unten, unter der Frage "Erhöhtes Risiko durch verlaufsmodifizierende Therapien?"
Unabhängig von der Multiplen Sklerose kann eine Zugehörigkeit zu den bekannten Risikogruppen vermehrt zu schweren Krankheitsverläufen führen, siehe auch nächstes Kapitel.
MS-Erkrankte, die aufgrund einer immunsuppressiven Therapie, auch wenn diese länger zurückliegt, noch einen Immundefekt haben, könnten theoretisch ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung haben. Erkenntnisse hierzu liegen vor, die als vorläufige Hinweise einzustufen sind. (Siehe „Erhöhtes Risiko durch verlaufsmodifizierende Therapien"). Es laufen weltweite Erhebungen zu dieser Frage, an denen auch die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) beteiligt ist. Mehr dazu
Ansonsten gelten auch für MS-Erkrankte dieselben Begleiterkrankungen als erhöhtes Risiko für einen ungünstigen Verlauf, wie sie auch für die Normalbevölkerung gelten (Siehe RKI - Informationen und Hilfestellungen für Personen mit einem höheren Risiko für einen schweren Covid-19-Krankheitsverlauf). Für MS-Erkrankte mit starker Behinderung (Rollstuhl, Bettlägerigkeit) ist das Risiko generell für Atemwegsinfektionen erhöht, da die Belüftung der Lunge weniger gut ist. Das bedeutet, dass das Risiko eines schwereren Verlaufes einer Covid-19 Infektion höher ist. Einige Berufe, besonders mit berufsbedingten körpernahen Kontakten, gehen mit einem erhöhten Infektionsrisiko einher.
Es ist bekannt, dass nach Virusinfekten ein leicht erhöhtes Schubrisiko besteht. Bei der Grippe (Influenza) wurde ein erhöhtes Schubrisiko in mehreren Studien beobachtet. Das Schubrisiko ist aber auch sicher davon beeinflusst, ob eine wirksame Immuntherapie der MS erfolgt. Falls aufgrund einer Covid-19-Erkrankung eine Immuntherapie beendet würde, könnte allein dies auch zu einem erhöhten Schubrisiko Anlass geben.
Bisherige Untersuchungen zufolge zeigt sich kein erhöhtes Schubrisiko für MS-Erkrankte nach einer Covid-19-Infektion [Klineova et al 2021; Etemadifar M, et al. 2022; Bsteh G, et al. 2022].
Eine Cortison-Pulstherapie erhöht allgemein das Infektionsrisiko. Bzgl. Covid-19 gibt es Hinweise, dass ungeimpfte MS-Erkrankte über vier Wochen nach einer vorangegangenen Cortison-Pulstherapie ein bis zu vierfach höheres Infektionsrisiko für SARS-CoV-2 aufzeigen [Sormani, t]. Da auch die Impfung nicht sicher vor einer Infektion schützt, ist es sinnvoll für vier Wochen die bekannten Schutzmaßnahmen zu beachten. In Abhängigkeit von dem Infektionsgeschehen ist es bei Berufstätigkeit mit vielen Kontakten sinnvoll Arbeitsunfähigkeit in Anspruch, auch bezüglich anderer gerade grassierender Virusinfekte, zu nehmen sinnvoll. Auch Antigentests sollten in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen f ggf. vor Therapiebeginn erfolgen.
Cortison-Therapien in zeitnahem Zusammenhang nach erfolgter Corona-Schutzimpfung oder Impfungen können die Impfantwort beeinträchtigen.
Nach den heutigen Erkenntnissen wird das Coronavirus durch Tröpfchen und Aerosole übertragen. Tröpfchen entstehen durch Husten und Niesen, auch beim lauten Rufen, lebhaftem Sprechen und insbesondere beim Singen. Auch eine Übertragung durch Händedruck und Berühren von Gegenständen, die Kontakt mit einem Virus-Infizierten hatten, auch ohne dass dieser bereits Symptome gezeigt hat, ist zu beachten. Aktuell werden allgemeine Schutzmaßnahmen nicht mehr vorgeschrieben.
Bei einer Infektion mit neueren Varianten sind bisher keine Hinweise zu vermehrt schweren Covid-19-Verläufen bei einer MS-Erkrankung berichtet worden.
Stellen verlaufsmodifizierenden Therapien möglicherweise ein erhöhtes Risiko einer Infektion bzw. eines schweren Verlaufes mit dem Corona-Virus dar?
Eine französische Kohortenstudie mit 347 MS-Patienten zeigte, dass Behinderungsgrad, Alter und Übergewicht wesentliche Risikofaktoren für einen schweren Covid-19-Verlauf waren. Dahingegen wurde keine eindeutige Assoziation zwischen den MS-Therapien und der Covid-19 Verlaufsschwere gefunden [Louapre C. Collonques N. Stankoff B. er al. und Möhn N, et al].
- Natalizumab/Tysabri: Die Behandlung kann – nach bisherigen Einschätzungen – uneingeschränkt weiter fortgeführt werden, da kein erhöhtes Risiko für Atemwegsinfektionen besteht. Aufgrund des Wirkmechanismus ist nicht anzunehmen, dass es zu besonders schweren Covid-19-Verläufen kommt. Das erhöhte Risiko einer PML-Infektion unter Natalizumab leitet viele MS-Erkrankte zu der Frage des Risikos einer direkten Hirninfektion mit SARS-CoV-2. Zur Einschätzung dieses Risikos liegen zum jetzigen Zeitpunkt keine Daten vor, aber die Erhöhung der zirkulierenden Immunzellen in den Blutgefäßen sollte eher Schutz vor Erregern wie Corona bieten.
- Dimethylfumarat/Tecfidera und Diroximelfumarat/Vumerity: Bei normalen Lymphocytenzahlen kann davon ausgegangen werden, dass weder das Infektionsrisiko noch das Risiko der Covid-19-Verlaufsschwere erhöht sind.
- Teriflunomide/Aubagio: Bei den Dosierungen in der MS-Therapie gibt es bisher keine Hinweise auf ein erhöhtes Infektionsrisiko oder Covid-19-Verlaufsrisikos. Eine antivirale Wirkung der Substanz wird diskutiert.
- Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor Modulatoren (Fingolimod/Gilenya, Ozanimod/Zeposia, Ponesimod/Ponvry und Siponimod/Mayzent): Unter diesen Therapien kann ein erhöhtes Infektionsrisiko bestehen, insbesondere von Atemwegserkrankungen. MS-Erkrankte, die auf diese Therapien eingestellt sind, sollten sie trotzdem fortführen, da bei Absetzen das Risiko einer Krankheitsaktivierung besteht. Auch therapeutische Neueinstellungen sollten nun in Anbetracht der Dauer der Corona-Pandemie und der Behandlungsnotwendigkeit der MS nicht weiter hinausgeschoben werden. Zum Risiko der Covid-19-Verlaufsschwere liegen derzeit keine Daten vor.
- Sogenannte depletierende Immuntherapien (Ocrelizumab/Ocrevus, Ofatumumab/Kesimpta, off-label Rituximab/Mabthera, Cladribin/Mavenclad, Alemtuzumab/Lemtrada, Mitoxantron): Diese Immuntherapien erhöhen grundsätzlich wirkungsbedingt das Infektionsrisiko, insbesondere in den ersten Wochen unmittelbar nach der Behandlung (oral, parenteral). Besondere hygienische Maßnahmen, auch bezüglich der Außenkontakte, sollten eingehalten werden. FFP2/3-Masken zum Schutz vor einer Infektion sind insbesondere gegebenenfalls während der Gabe und in der kritischen Phase und auch danach zu empfehlen.
Ocrelizumab, Ofatumumab und Rituximab sind B-Zell depletierende Intervalltherapien und gehen mit einer dadurch erworbenen Immunschwäche einher, sodass erhöhte Infektionsraten, sehr wahrscheinlich auch mit dem Sars-CoV-2-Virus, auftreten [Gonzales Caldito et al]. Je länger die Therapie durchgeführt wird, umso häufiger entwickelt sich meist allerdings erst nach mehreren Jahren bei einigen der Behandelten ein Mangel an Immunglobulinen, der dann ggf. ersetzt werden muss.Die Daten bzgl. eines erhöhten Risikos eines schweren Covid-19-Verlaufes sind derzeit widersprüchlich. Da ein Teil der Ocrelizumab behandelten Patienten eher älter und schwerer betroffen ist, spielen diese Faktoren möglicherweise für die Schwere des Verlaufes eine Rolle.
Die therapeutische Wirkung von Cladribin beruht auf einer erwünschten Verminderung der weißen Blutzellen. Dieser Effekt ist unmittelbar nach der jährlichen Gabe (jeweils zwei Behandlungswochen im Abstand von vier Wochen) in Jahr Eins und Jahr Zwei am stärksten (ca. zwei bis drei Monate) und geht auch mit einem erhöhten Infektionsrisiko einher. Die Effekte auf die weißen Blutkörperchen können allerdings individuell unterschiedlich lange anhalten, damit ist auch das Infektionsrisiko von MS-Erkrankten mit einer Cladribin-Therapie individuell einzuschätzen. MS-Erkrankte, bei denen der zweite Therapie-Zyklus nach einem Jahr ansteht, sollten Vorkehrungen treffen, um die Infektionsgefahr herabzusetzen. Das Infektionsrisiko ist in den ersten vier Wochen nach der letzten Gabe am höchsten.
Dies gilt in ähnlicher Weise auch für Alemtuzumab. Auch bei dieser Immuntherapie kommt es bei der jährlichen Gabe (in der Regel Jahr Eins und Jahr Zwei) zu einer langanhaltenden erwünschten Veränderung der weißen Blutzellen, wodurch ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht. Auch hier ist eine Wiederholung der Therapie sorgfältig zu prüfen. Neueinstellungen sind zum jetzigen Zeitpunkt unter Berücksichtigung der Zulassungsänderung nur bei hochaktiver MS und dem Fehlen anderer therapeutischer Möglichkeiten zu erwägen. Belastbare Daten zur Schwere des Verlaufs einer Covid-19-Erkrankung liegen derzeit nicht vor.
Für MS-Erkrankte, die aufgrund ihres beruflichen und sozialen Umfeldes ein erhöhtes Risiko haben, mit Covid-19-Infizierten in Kontakt zu kommen, könnte das Vorliegen eines zeitnahen PC-R-Abstrichs auf SARS-CoV 2 am Tage der geplanten Intervall-Therapie sinnvoll sein.
Treffen im Freien stellen eine gute Alternative dar, wenn Treffen in Innenräumen zu risikoreich sind. Wer Symptome hat, der sollte vorerst das Zusammentreffen mit anderen meiden. Schnelltests können dabei behilflich sein, das Vorliegen einer Corona-Infektion festzustellen. Bei Vorliegen eines negativen Schnelltests können die Gruppentreffen besucht werden. Schnelltests geben jedoch keine absolute Sicherheit. Wer sich noch nicht sicher ist, der sollte sich nicht gedrängt fühlen, sich mit oder in einer Selbsthilfegruppe zu treffen. Letzlich sollte man auch mit einem nicht Corona bedingten Atemwegsinfekt die Gruppe nicht gefährden. Gemeinsam mit dem zuständigen DMSG-Landesverband können Sie einen Weg zur Teilnahme am Austausch finden.
Die DMSG bietet weiterhin telefonische Kontakte, Treffen in digitaler Form oder über die Austauschplattform MS Connect an. Bitte fragen Sie bei Ihrem Landesverband an, wenn Sie Unterstützung benötigen. Für MS-Betroffene, die nicht über die notwendigen technischen Möglichkeiten für virtuelle Treffen verfügen, können regelmäßige telefonische Kontakte mit den Gruppenmitgliedern hilfreich sein. Werden Sie selbst aktiv und rufen Sie andere Gruppenmitglieder an und erkundigen sich nach deren Wohlergehen.
Auch Beratungen in den Beratungsstellen der DMSG-Landesverbände sind weiterhin digital oder per Telefon möglich.
Einzelheiten zum Funktionstraining können Sie auf unserer speziellen Website nachlesen. Schnuppertrainingsangebote finden Sie ebenfalls auf unserer Website.
Seminare, Workshops oder Fortbildungen der DMSG werden auch weiterhin online angeboten. Eine Übersicht finden Sie hier auf der Website des DMSG-Bundesverbandes sowie der DMSG-Landesverbände. Einzelne Angebote können auch länderübergreifend von Mitgliedern wahrgenommen werden.
Aktuelle sind alle Regelungen (Maskenplicht, Arbeitsschutz etc.) entfallen. Wie sich ein wieder steigendes Infektionsgeschehen in den nächsten Monaten auswirken wird, ist aktuell noch nicht abzuschätzen. Aktuelle Informationen finden Sie hier:
Auf der Website des Bundesgesundheitsministeriums erhalten Sie grundlegende Informationen zur Corona-Pandemie, sowie grundlegende Informationen zum Infektionsschutz vor dem Corona-Virus, zu Verdachtsfällen und vieles mehr. Im SARS-CoV-2 Steckbrief zur Corona-Virus-Krankheit-2019 (COVID-19) des RKI finden Sie, basierend auf der laufenden Sichtung der wissenschaftlichen Literatur, weitere Informationen zum Corona-Virus.
Wir empfehlen bei Vorliegen von Symptomen und/oder positivem Schnelltestergebnis prophylaktisch auf das Zusammentreffen in Selbsthilfegruppen vorerst zu verzichten.
Es gibt sicher viele Fragen zum Corona-Virus. Der DMSG-Bundesverband informiert Sie auf einer Sonderseite rund um das Thema Corona und Multiple Sklerose und bietet Ihnen mit den Arzt-Sprechstunden auf MS-Connect eine Plattform, auf der Experten Ihre Fragen beantworten.
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Wissenswertes für Multiple Sklerose-Erkrankte zur Impfung gegen COVID-19:
Quelle: DMSG-Bundesverband - 30.04.2021 (aktualisiert am 26.09.2023)