Grundsätzliches
Gerätetraining, besonders die Medizinische Trainingstherapie, gewinnt in der MS-Therapie zunehmend an Bedeutung.
Das Üben, zum Beispiel auf dem Laufband, am Seilzug oder auf dem Ergometer, bietet eine Reihe von Vorteilen: Die Geräte können individuell eingesetzt werden, sie sind – etwa im Fitnessstudio – leicht zugänglich und sie machen vielen Menschen Spaß. So setzen die Wii® oder der Balancetrainer auf den Spieltrieb und motivieren fast nebenbei zu den gewünschten Übungen und Bewegungen.
Mit den verschiedenen Geräten kann die Leistungsfähigkeit auf vielen Ebenen gesteigert werden. Dabei geht es vor allem um Verbesserungen in den Bereichen Ausdauer, Koordination, Kraft und Gleichgewicht. Ein Aufbau der Leistungsfähigkeit ist für MS-Erkrankte mit motorischen Symptomen besonders wichtig, da sie durch die Krankheit selbst und durch geringe alltägliche Belastung – noch häufiger als Gesunde – in einen untrainierten Zustand geraten.
Außerdem müssen MS-Erkrankte mit Einschränkungen beim Training Rücksicht auf ihre Beeinträchtigungen nehmen, damit es nicht zu Verletzungen kommt. Wer zum Beispiel mit dem Gleichgewicht Probleme hat, sollte je nach Grad der Einschränkungen darauf achten, dass er sich gegen Stürze sichert. Auch Sehstörungen müssen beachtet werden – etwa dann, wenn das Training selbstständig mit Hilfe einer Bildschirmanzeige kontrolliert werden soll. Auch in diesem Punkt gilt es, die eigene Leistungsfähigkeit realistisch einzuschätzen und sich im Zweifelsfall frühzeitig von Experten wie dem behandelnden Physiotherapeuten beraten und unterstützen zu lassen. Generell gilt, dass nahezu alle MS-Erkrankten, mit leichter Symptomatik wie auch schwerer Betroffene, eine geeignete sportliche Betätigung finden können.
Studien zu Sport
Studien zeigen: Bewegung und Sport steigern die Lebensqualität
Obwohl es bislang nur verhältnismäßig wenige Studien gibt, die systematisch untersucht haben, welche einzelnen Effekte sportliches Training speziell bei MS-Kranken hat, so ist doch die Tendenz eindeutig: MS-Kranke mit oder ohne einschränkende Symptome profitieren davon, wie jeder gesunde Mensch auch. Sport und Bewegungstraining haben darüber hinaus einen positiven Einfluss auf die sekundären Symptome der Krankheit. Sie können geeignet sein, um bei MS-Kranken neurologische Defizite wie etwa Muskelschwäche oder Gangstörungen wenigstens teilweise auszugleichen und ihnen dadurch einen deutlichen Zugewinn an Lebensqualität verschaffen.
So stellte eine Studie des Diplom-Sportwissenschaftlers Alexander Tallner von der Universität Erlangen-Nürnberg, Institut für Sportwissenschaft und Sport, fest, dass mit internetgestütztem Training bei MS-Patienten unter anderem die Muskelkraft gesteigert und die Fatigue verbessert werden kann. Dabei wurde nur zweimal wöchentlich 20 bis 30 Minuten trainiert, ein Aufwand, der auch für weniger Sportbegeisterte gut machbar ist.
Trainingseffekte durch Regelmäßigkeit
Regelmäßiges Training bringt mehr Sicherheit im Alltag
Auch die Erkenntnisse der Physiotherapeuten aus ihrer täglichen Arbeit mit MS-Patienten und die persönlichen Erfahrungen der MS-Erkrankten weisen in die gleiche Richtung: Bewegung und Sport haben generell positive Auswirkungen. Dabei ist vor allem das Gerätetraining geeignet, möglichen Folgekomplikationen der MS vorzubeugen oder sie zu reduzieren – dazu gehören etwa Verspannungen, Muskelschwäche und Kontrakturen mit Fehlstellungen der Gelenke. MS-Erkrankte mit körperlichen Beeinträchtigungen, die regelmäßig trainieren, fühlen sich im Alltag oft sicherer – auch im Umgang mit erforderlichen Hilfsmitteln wie z.B. einem Rollator oder Rollstuhl.
Sportliche Erfolge steigern das Selbstwertgefühl
Doch Sport und Bewegung bewirken noch mehr. Wer mit anderen gemeinsam trainiert, kommt unter Menschen und profitiert vom positiven Einfluss sozialer Kontakte. Das steigert die Lebensfreude und verhindert, dass sich jemand zu sehr mit sich und seiner Krankheit beschäftigt und sich ausgrenzt.
Einen weiteren positiven Effekt bringen die Erfolgserlebnisse beim Erreichen sportlicher Ziele, wobei ein Erfolg je nach Grad der Erkrankung individuell sehr unterschiedlich definiert wird. Die Erkenntnis "Ich kann etwas!" ist für jeden Menschen eine wichtige Erfahrung und wirkt sich positiv auf die Lebenseinstellung aus. Wer aktiv ist und merkt, dass er durch eigenes Tun etwas bewirken kann, verliert das lähmende Gefühl, der Krankheit hilflos ausgeliefert zu sein.
Bewegung und Sport sind auch für MS-Kranke ein wichtiger Baustein zum Erhalt oder zur Verbesserung des körperlichen Gesundheitszustandes – da sind sich die Experten einig. Allerdings: Übertreibung tut gesunden und kranken Menschen nicht gut. Intensität und Dauer der sportlichen Aktivität sollten an die persönliche Leistungsfähigkeit angepasst werden. Sportliche Ziele sollten realistisch bleiben und permanente Überforderung durch Streben sollte nach sportlichen Bestleistungen vermieden werden.
Was tun bei Uhthoff-Phänomen
Bei Uhthoff-Phänomen auf kühle Umgebung achten
Etwa zwei Drittel der MS-Kranken fühlen sich durch das Uhthoff-Phänomen eingeschränkt. Eine erhöhte Körpertemperatur – etwa nach sportlichem Training oder durch zu hohe Außentemperaturen – führt bei ihnen zu einer Leitungsverschlechterung der Nervenfasern, so dass sich bestehende neurologische Symptome kurzfristig verstärken ("Pseudo-Schub"). Wichtig zu wissen: Die Symptome gehen nach Abkühlung, etwa durch eine kalte Dusche oder eine spezielle Kühlweste und Ruhe, rasch zurück. MS-Erkrankte, die stark vom Uhthoff-Phänomen betroffen sind, sollten beim Sport – vor allem beim Ausdauertraining – auf eine kühle Umgebung achten oder Kühlbekleidung verwenden.
Wer leicht "außer Atem" kommt, liegt genau richtig
Doch wo befindet sich denn eigentlich die individuelle Belastungsgrenze? Ein wichtiger Schwellenwert, um das persönliche Trainingsprogramm festzulegen, ist die Grenze zwischen aerobem und anaerobem Training. Im aeroben Bereich befindet sich ein sportlich tätiger Mensch, wenn er die nötige Energie ausschließlich durch die Verbrennung mit Sauerstoff erzeugt. Ist der Körper durch eine Erhöhung der Belastung gezwungen, einen Teil der Energie ohne Sauerstoff zu gewinnen, befindet er sich im anaeroben Bereich. Ziel des Trainings ist die aerobe Zone, wobei der Körper jedoch nur bis maximal 80 Prozent seiner Belastbarkeit gefordert werden sollte. In der Praxis bedeutet das, dass der Trainierende weitgehend noch gut bei Atem ist und während der Übungen problemlos sprechen kann. Jedoch gilt: keine Angst vor kurzfristiger Überforderung. Bewegung hilft und schadet nicht, auch nicht bei MS.
Wer sich nicht sicher ist, wo seine optimale Belastung liegt, kann sich nach der Borg-Skala richten. Dabei schätzt er den Anstrengungsgrad individuell ein – zwischen "überhaupt keine Anstrengung" und "größtmögliche Anstrengung". Ordnet er die Belastung für sich zwischen "leicht" und "etwas schwer" ein, liegt er genau richtig.
Grundsätzlich gilt: Die Intensität und Dauer des Trainings müssen über das subjektive Empfinden gesteuert werden. Vor allem müssen sie ständig dem individuellen Zustand angepasst werden, wobei ggf. auch kurzfristig auftretende Symptomveränderungen zu berücksichtigen sind.
Borg-Skala zur empfohlenen Intensität des Trainings
Skalenwert | Anstrengungsgrad |
6 | überhaupt keine Anstrengung |
7 | extrem leicht |
9 | sehr leicht |
11 | leicht |
12 | optimaler Trainingsbereich |
13 | etwas schwer |
15 | schwer |
17 | sehr schwer |
19 | extrem schwer |
20 | größtmögliche Anstrengung |
Muskelkraft
Neurologische Störungen reduzieren die Muskelkraft, wobei bei MS-Erkrankten vor allem die untere Körperhälfte betroffen ist. Alle Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Kraft durch Training gesteigert werden kann. Negative Folgen treten nicht ein.
Ausdauerleistung
Die Leistungsfähigkeit von Herz und Atmung (kardiorespiratorische Leistungsfähigkeit) kann bei MS-Erkrankten häufig geringer sein als bei Gesunden, was zu vorzeitiger Erschöpfung bei Belastung führt. Entsprechendes Training, zum Beispiel auf dem Laufband oder Fahrradergometer, kann die Ausdauerleistung langfristig verbessern.
Beweglichkeit und Spastik
Spastik führt oft zu einer eingeschränkten Beweglichkeit. In der therapeutischen Praxis geht man davon aus, dass sanfte Dehnung der Muskulatur helfen kann. Die gut koordinierte Aktivierung der Muskeln ist der Schlüssel zu einer besseren Leistungsfähigkeit.
Fatigue
Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass die Fatigue durch Ausdauertraining beeinflussbar ist. Vor allem ein angepasstes Aerobictraining, Walking und Ergometertraining sind hilfreich.
Gleichgewicht
Viele MS-Erkrankte haben Gleichgewichtsstörungen, diese sind eine häufige Sturzursache. Zu diesem Punkt gibt es nur wenige Untersuchungen. Eine Studie konnte allerdings belegen, dass die Sturzhäufigkeit durch regelmäßiges Balancetraining signifikant verringert wird.
Depressionen
Durch aerobes Training konnte bei MS-Patienten eine antidepressive Wirkung bei leichten und mittelschweren Depressionen und eine verbesserte Stimmung nachgewiesen werden.
Vegetative Störungen
Beckenbodentraining und Ausdauertraining können Verbesserungen der Blasen- und Darmentleerung erzielen.
Regelmäßiges Training ist wichtig!
Was für Gesunde gilt, trifft auch auf MS-Erkrankte zu: Bewegung und Sport müssen regelmäßig betrieben werden, damit alle positiven Effekte – ob physisch oder psycho-sozial – erhalten bleiben. Wer es schafft, regelmäßige Bewegung und Sport dauerhaft in den Alltag zu integrieren, profitiert langfristig. Bei der Gestaltung des Gerätetrainings ist es daher sinnvoll, Geräte einzubeziehen, die auch Zuhause oder im Fitnesscenter zur Verfügung stehen.
Ausdauertraining erhöht die Leistungskraft und bringt ein Stück Lebensqualität zurück.
MS-Erkrankte können in ihrer Aktivität eingeschränkt sein, weil sie ein Problem mit der Kraftausdauer haben, das heißt, sie sind schneller erschöpft. Dies kann eine direkte Folge der MS sein: Muskelpartien werden vom Zentralen Nervensystem nicht mehr in vollem Umfang aktiviert. Doch es kann sich auch um eine indirekte Folge handeln: Menschen mit MS sind aufgrund ihrer Krankheit – zum Beispiel während eines Schubs – nicht aktiv, und das schwächt die Ausdauerleistung. Verstärkt wird das Problem durch psycho-soziale Faktoren: Wer sich als MS-Erkrankter von vielen Aktivitäten zurückzieht, verliert durch Untätigkeit nach und nach seine Leistungsfähigkeit.
Wer keine Ausdauer hat und schnell er-schöpft ist, nimmt erhebliche Einbußen in der Lebensqualität hin. MS-Kranken mit Ausdauerdefiziten fällt es schwerer, den All-tag im Beruf oder zu Hause "durchzustehen". Manche schaffen es dann mit Mühe, ihre Arbeiten zu erledigen, haben aber oft keine Kraft mehr für Freizeitaktivitäten und das Zusammensein mit Familie und Freunden. "Ich bin total am Ende", so beschreiben MS-Erkrankte ihre Situation, wenn ihnen die Reserven fehlen, eigenen oder von außen herangetragenen Anforderungen gerecht zu werden.
Die gute Nachricht: Ausdauertraining kann diese Situation deutlich verbessern! Das Ziel besteht darin, sich ein Stück Leben zurückzuerobern, und nicht darin das Ausdauerniveau eines Leistungssportlers zu erreichen! Abhängig von der MS kann es bei dem einen darum gehen, sich einfach wieder fitter und aktiver zu fühlen, bei dem anderen, wieder mobiler zu werden. Es gibt eine Reihe von Trainingsgeräten, die vor allem dazu dienen, die Leistungsfähigkeit von Herz und Lunge zu steigern und so die Ausdauer zu verbessern.
Fahrradergometer
Das Fahrradergometer ist für nicht so schwer betroffene MS-Kranke geeignet. Wichtig ist, dass die Gleichgewichtsfähigkeit ausreicht, um sicher im Sattel zu sitzen. Auch sollte die Spastik in den Beinen nicht zu stark sein.
Für das Ergometer-Training hat sich folgendes Vorgehen als geeignet erwiesen:
- Fünf Minuten warming up.
- 20 bis 30 Minuten Training. Die Wattzahl des Ergometers, also der Widerstand, passt sich automatisch einer vorgegebenen Herzfrequenz an.
- Fünf Minuten cool down.
- Pausen bei Bedarf.
- Pulskontrolle über Display oder Programmautomatik.
Der Puls beim Training sollte möglichst immer bei 70 bis 80 Prozent des Maximalpulses liegen. Das Ergometer kann so eingestellt werden, dass es sich automatisch dem richtigen Pulsbereich anpasst. Bei manchen MS-Erkrankten muss bedacht werden, dass die untrainierte Muskulatur möglicherweise schon ermüdet, bevor das gewünschte Pulsergebnis erreicht ist. Auch die Fatigue kann bewirken, dass der Trainierende vor der Zeit erschöpft ist. Deshalb kann es sinnvoll sein, die Belastungsgrenze nicht am Puls, sondern an der Borg-Skala zu orientieren. Ein wichtiger Aspekt bei MS-Erkrankten: Die Tagesschwankungen können erheblich sein, deshalb muss das Trainingsprogramm immer aktuell angepasst werden.
Vorteile:
Das Fahrradergometer trainiert die Leistungsfähigkeit des Herzens und unterstützt den Muskelaufbau in den Beinen.
Bedenken:
Fahrradergometer setzen eine ausreichende Gleichgewichts-fähigkeit voraus.
Laufband
Die Laufbandtherapie ist für viele Menschen mit MS sinnvoll.
Sie ruft im Zentralen Nervensystem (ZNS) fest verankerte Schreitmuster ab und ist auch für schwerer betroffene MS-Erkrankte geeignet. Die Laufbandtherapie verbessert die Gehfähigkeit. Im Einzelnen wird/werden
- die Schrittzahl erhöht,
- die Geh-Ausdauer verbessert,
- die Geh-Geschwindigkeit erhöht,
- Elemente einzelner Geh-Phasen geschult,
- die Beweglichkeit verbessert.
Das Laufband ist als Trainingsmethode besonders geeignet, da es gut dosierbar ist und individuell den Anforderungen angepasst werden kann.
Die Geschwindigkeit wird idealerweise von einem MS-erfahrenen Therapeuten oder Trainer vorgegeben. Dieser kontrolliert auch die Gehqualität. Wenn er Kompensationsmuster bemerkt – zum Beispiel einen schleifenden Fuß – kann er das Tempo möglicherweise mindern. Eine Verbesserung der Gehstrecke ist auch dann gegeben. Einen Richtwert für die optimale Leistungsanforderung gibt die Borg-Skala.
Das Laufbandtraining ersetzt nicht das Laufen auf dem Boden – und doch hat es einige Vorteile: Die Anzahl der Schritte (Wiederholungen) ist größer, die Bewegungsabläufe können vom Therapeuten oder Trainer kontrolliert und Steigungen sowie Gefälle simuliert und angepasst werden.
Vorteile:
Laufbandtraining ruft im ZNS verankerte Schreitmuster ab und verbessert die Gehfähigkeit. Es ist auch für schwerer Betroffene geeignet.
Bedenken:
Wenn eine stärkere Spastik oder Gleichgewichtsstörungen vorliegen, muss eine Gurtentlastung eingesetzt werden.
Automatisierte Gangtrainer (z.B. Lokohelp Pedagos®)
Der Lokohelp Pedago® ist ein automatisierter Gangtrainer, der für MS-Erkrankte geeignet ist, die nicht mehr gehfähig sind, von denen man aber annimmt, dass sie das Gehen wieder lernen können.
Hintergrund des Konzeptes: Die Schaltungen für Schreitmuster sind fest im Zentralen Nervensystem etabliert, werden aber bei den betroffenen Menschen nicht mehr angesprochen. Wenn das Gehen jedoch immer wieder geübt wird, ist es möglich, erneut auf die Muster zurückzugreifen.
Die Praxis zeigt jedenfalls, dass die Betroffenen mit Hilfe des Gangtrainers ihre Gehfähigkeit wieder erlangen oder die Gehstrecke erweitern können. Auch die Qualität des Gangbildes verbessert sich. Das Gangtraining wird auf einem Laufband absolviert, auf dem beispielsweise der Lokohelp Pedago® installiert ist. Die Füße des Trainierenden stecken in speziellen Überschuhen, und ein Gurtsystem entlastet ihn von einem Teil des Körpergewichts. Die Beine werden vom Gerät gesetzt, das eine Geschwindigkeit von maximal zwei km/h zulässt. Die Übung ist sehr anspruchsvoll und kann nur mit einem Therapeuten durchgeführt werden. Der Lokohelp Pedago® ist auch hilfreich, wenn Patienten Probleme mit einzelnen Gehphasen haben.
Vorteile:
Durch das Training auf dem Lokohelp Pedago® können MS-Erkrankte, deren Gehfähigkeit verloren gegangen ist, wieder gehen lernen.
Bedenken:
Das Training ist sehr anstrengend und die allgemeine Belastbarkeit des Patienten muss entsprechend hoch sein.
Crosstrainer
Der Crosstrainer hilft MS-Erkrankten, Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit und ihren Gang zu verbessern.
Dabei werden Arme und Beine gleichzeitig eingesetzt, dadurch können ihre Leistungen und die des Rumpfes verbessert werden.
Neben dem Gehen auf dem Boden und dem Training auf dem Laufband bietet der Crosstrainer eine gute Übungsmöglichkeit. Wie bei jedem Lauftraining kommt es vor allem auf wiederholtes und regelmäßiges Üben an. Ein gesunder Mensch macht im Schnitt 10.000 Schritte am Tag, ein schwer betroffener MS-Erkrankter vielleicht 100. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass Gehtraining gerade für schwerer Betroffene unerlässlich ist, um die Gehfähigkeit wiederzuerlangen oder zu erhalten.
Vorteile:
Die Gehfähigkeit wird geübt, wobei bei Bedarf die Arme mithelfen können. Die Konstruktion des Crosstrainers bewirkt auto-matisch den Gegenschwung der Arme zu den Beinen und fördert damit die Rotationsbewegung im Oberkörper.
Bedenken:
Für MS-Erkrankte, die Schwierigkeiten mit dem Stehen und Gleichgewicht haben, ist der Crosstrainer weniger geeignet.
Bewegungstrainer
Mit motorunterstützten Bewegungstrainern können schwerer an MS Erkrankte Beine, Arme und Oberkörper bewegen und lockern.
Dadurch können Spastik, Schwäche und Lähmungen deutlich verbessert werden. Der Trainierende sitzt auf einem Stuhl mit Rollen oder in seinem eigenen Rollstuhl und fährt damit an den Bewegungstrainer heran.
Der Bewegungstrainer trainiert die Muskeln, hält die Gelenke beweglich und mildert Verspannungen. Die passiven Bewegungen der Beine helfen, Spastiken zu lösen. Wer schneller als der Motor tritt und den Widerstand erhöht, wird aktiv und trainiert seine Ausdauer und Muskulatur. Die Geräte verfügen über eine spezielle Spastikschaltung und stoppen, wenn sie auf hohen Widerstand treffen. Über ein Display können die Nutzer ihre Aktivitäten kontrollieren. Zum Beispiel lässt sich erkennen, ob beide Beine gleichmäßig arbeiten oder eines vernachlässigt wird.
Vorteile:
Der Bewegungstrainer trainiert Ausdauer und Beweglichkeit bei MS-Erkrankten, die nicht auf dem Fahrradergometer sitzen können. Er hilft außerdem, Spastiken zu lösen.
Bedenken:
Wenn die Gelenkbeweglichkeit sehr eingeschränkt ist, ist das Gerät nicht geeignet.
Koordinationstraining kann aus der Spastik herausführen. Alltagsbewegungen wie Aufstehen oder eine Treppe steigen können dann wieder leichter fallen und Schmerzen verringert werden!
Jede Bewegung, die ein Mensch ausführt, setzt komplexe Abläufe in Gang – auch wenn es sich scheinbar um isolierte Teilbewegungen wie das Heben eines Armes handelt. Wer zum Beispiel eine Kiste trägt, betätigt dabei den ganzen Körper – vom kleinen Zeh bis zum Bizeps in den Oberarmen.
Bei MS-Erkrankten können die Vielfältigkeit der Bewegungen je nach Krankheitsstadium eingeschränkt und die Koordination gestört sein. Bei schwerer Betroffenen stellen sich häufig Muskelverkrampfungen / Spastiken ein. Diese können sich immer weiter verfestigen, während andere Bewegungsabläufe gar nicht mehr ausgeführt werden. Diese starren, spastischen Muster sind jedoch auf Dauer nicht alltagstauglich – sie führen zu übermäßiger Anstrengung und Verschleiß. Die Folgen: Einschränkung der Mobilität und Schmerzen.
Die gute Nachricht: Koordinationstraining und Aktivität können aus der Spastik heraus-führen, so dass viele Alltagsbewegungen wie Aufstehen, eine Treppe hochsteigen oder sich ins Bett legen wieder leichter und mit weniger Schmerzen ausgeführt werden können.
Die Bedeutung von Krafttraining für MS-Erkrankte gewinnt seit Jahren an Bedeutung. Kraft bedeutet die Fähigkeit, durch Muskeltätigkeit Widerstände zu überwinden, sie zu halten oder ihnen entgegenzuwirken. Die Kraft kann bei Menschen mit MS reduziert sein – vor allem in der unteren Körperhälfte, aber auch an den Armen. Einige Studien zum Krafttraining bei MS sagen aus, dass es durch Training zu einer Verbesserung der Kraft zwischen 7% und 32% kommen kann.
Grundsätzlich gelten folgende Regeln beim Krafttraining für
Menschen mit MS:
- wenig Gewicht, viele Wiederholungen,
- Beine auch funktionell trainieren (z.B. Laufband, Kletterwand),
- Pausen einhalten,
- Ausweichbewegungen beachten,
- keine pathologischen Muster nutzen,
- nicht überhitzen,
- physiologische Synergien (z.B. Abstützen) dürfen genutzt werden.
Die im Folgenden beschriebenen Geräte dienen in erster Linie dem Training von Koordination und Kraft.
Seilzuggerät
Das Seilzuggerät (oder für den häuslichen Bereich das Theraband) ist sehr vielseitig und verbessert die Koordination sowie die Kraft und Ausdauer.
In erster Linie werden die Rumpfmuskeln, der Schultergürtel, die Hüftmuskeln, Knie und Ellenbogen trainiert. Der Therapeut analysiert zunächst die vorhandene Bewegungsfähigkeit des MS-Erkrankten, um geeignete Übungen festzulegen. Ergibt zum Beispiel eine Ganganalyse, dass bestimmte Bewegungskomponenten beim Gehen fehlen, können diese am Seilzuggerät gezielt geübt werden. Die Übungen haben Verbesserungen zum Ziel, die dem schwer MS-Erkrankten im Alltag helfen können.
Je nach Befindlichkeit und Übungseinheit kann der MS-Patient im Stehen, Sitzen (auch im Rollstuhl) oder Liegen trainieren. Die Intensität des Trainings – Anzahl der Gewichte, Anzahl der Einzelübungen und Serien – legt der MS-erfahrene Therapeut oder Trainer fest. Angestrebt werden je nach Ziel (Schnellkraft und Kraftausdauer) 50 bis 80 Prozent der Maximalleistung. Das Training sollte mindestens zwei- bis viermal in der Woche stattfinden. Nach ein bis zwei Wochen werden die Leistungsfähigkeit erneut beurteilt und das Programm eventuell angepasst.
Vorteile: Das Seilzuggerät ist sehr viel-seitig. Es kann gezielt bestimmte Muskelgruppen trainieren und in der Übungsintensität problemlos angepasst werden.
Bedenken: Es besteht die Gefahr, dass sich die Trainierenden überfordern und dass vorhandene spastische Bewegungsmuster trainiert werden.
Schwingstab
Beim Schwingstab handelt es sich um eine elastische Stange mit Gewichten an beiden Enden, die durch rhythmische Armbewegungen in Schwingung versetzt wird.
Ziel sind ein Aufbau der Körperstabilität und eine Verbesserung der Koordination von Rumpf, Arm und Hand. Geübt wird abwechselnd mit beiden Armen, je nach individueller Leistungsfähigkeit einige Minuten lang.
Vorteile: Übungen mit dem Schwingstab dienen der Verbesserung von Koordination, Rumpfstabilität und Körperhaltung und können auch bequem zu Hause durchgeführt werden.
Bedenken: Menschen mit Schultergelenkschmerzen können den Schwingstab nicht einsetzen, wenn sie dabei Schmerzen haben.
Beinpresse
Die Beinpresse ist als unterstützendes Gerät geeignet, um die Kraft in den Waden, Oberschenkeln und dem Gesäß zu trainieren.
Für MS-Erkrankte wichtig: Es sollte zur selben Zeit immer nur ein Bein trainiert werden, da sonst die Gefahr besteht, dass das stärkere Bein die Leistung für das schwächere übernimmt.
Vorsicht ist auch bei Spastik geboten. Wenn die Knie zu stark zusammendrücken, dann ist die Beinpresse weniger geeignet. Die MS-Kranken sollten dann lieber an die Kletterwand gehen.
Vorteile: Die Beinpresse trainiert gezielt das Gesäß, die Waden- und Oberschenkelmuskulatur.
Bedenken: Bei starker Spastik ist die Beinpresse weniger geeignet.
Grundsätzliche Trainingtipps
- Beginnen Sie mit einfachen Aufwärmübungen.
- Überanstrengen Sie sich nicht zu sehr. Wenn Sie sich nicht mehr wohlfühlen, legen Sie eine Pause ein.
- Machen Sie regelmäßige Pausen.
- Planen Sie eine geringere Wiederholungsfrequenz der Übungen als Gesunde ein.
- Entspannen Sie nach dem Training. Wenn Sie sehr lange brauchen, um sich wieder zu erholen, war möglicherweise das Pensum zu hoch. Reduzieren Sie es beim nächsten Training.
- Trinken Sie ausreichend.
- Falls Sie unter dem Uhthoff-Phänomen leiden, sorgen Sie für eine Kühlung (z.B. durch Kühlkleidung) während des Trainings und vermeiden Sie bei hohen Temperaturen Anstrengungen im Freien.
Spezielles Training hilft MS-Erkrankten bei Gleichgewichtsstörungen: Das Gehirn kann durch häufiges Üben lernen, auch mit einer geringeren Anzahl von Signalen auszukommen und eine angemessene Antwort für gewünschte Bewegungen zu finden.
Gleichgewichtsstörungen kommen bei an MS Erkrankten recht häufig vor und sind Ursache für Stürze und Verletzungen. Zu den Gleichgewichtsproblemen kommt es, weil MS-Erkrankte als Folge von Empfindungsstörungen ihren Körperschwerpunkt nicht verlässlich spüren können. Dazu kommen – verursacht durch zusätzliche Schwäche, Spastik und Ataxie – Probleme bei der motorischen Umsetzung von Bewegungen.
Das Gehirn von MS-Erkrankten erhält durch die neurologischen Defizite weniger Informationen. Durch Übung kann es jedoch lernen, auch mit einer geringeren Anzahl von Signalen eine adäquate Antwort zu finden. An diesem Punkt setzt das Gleichgewichtstraining an. Der Trainierende erhält, zum Beispiel über ein Display, ein Feedback zu der Qualität seiner Bewegungen. Er kann diese kontrollieren und immer wieder anpassen. So trainiert er sein Körpergefühl.
Bei den Übungen geht es vor allem um gezieltes Verlagern und Kontrolle des Körperschwerpunkts. Häufig müssen auf spielerische Weise bestimmte Aufgaben erfüllt werden. Je nach Erfolg wird dann ein Ranking-Platz zugewiesen. Das schafft den Anreiz, bei der nächsten Übungsfolge die Leistung zu steigern und das Ranking zu verbessern.
Vor allem schwerer Betroffene profitieren vom Gleichgewichtstraining und verringern so ihr Sturzrisiko. Der Erfolg des Trainings wird in der physiotherapeutischen Praxis durch den Tinetti-Test erfasst. Mit einem Punktesystemwerden das Gleichgewicht und das Gangbild nach definierten Kriterien bewertet. Entscheidend ist auch, wie lange ein Mensch auf einem Bein stehen kann. 15 Sekunden gelten als gute Voraussetzung für ein sicheres Gehen.
Wii®-Konsole
Die Wii® kennt fast jeder – als Spielekonsole für Sport und Spaß.
Doch auch in der Physiotherapie kommt die Spielekonsole zum Einsatz – und zwar vor allem beim Gleichgewichtstraining. Doch auch Körperhaltung, Kraft und Ausdauer können trainiert werden.
Ob auf einem Seil balancieren, Skispringen oder virtuell Fische fangen: Die Wii® mit entsprechender Software bietet verschiedene Balancespiele, die für Menschen mit MS geeignet sind. Die Einweisung sollte allerdings durch einen geschulten MS-Therapeuten oder Trainer erfolgen. Dieser analysiert, wo Defizite liegen und schlägt ein individuelles Programm vor.
Die Wii® ist flexibel bei unterschiedlichen Problemstellungen einsetzbar. Darüber hinaus fördert sie durch Animationen und Feedback-Tools die Motivation, das Training regelmäßig zu absolvieren und die eigene Leistung steigern zu wollen.
Vorteile: Die Wii® ist sehr vielseitig, kann auch für Zuhause angeschafft werden und motiviert durch direkte Ansprache und Feedback-Funktionen zu regelmäßigem Training.
Bedenken: Wenn MS-Erkrankte sich überfordern, besteht Sturz- und Verletzungsgefahr. Bei Sehproblemen ist die Benutzung der Wii® eingeschränkt.
Balancetrainer (Stehtrainer)
Vom Balancetrainer profitieren MS-Erkrankte, die Probleme mit dem Gleichgewicht, mit Schwäche, Ataxie oder Spastik haben.
Bei den Übungen geht es hauptsächlich darum, durch gezielte Gewichtsverlagerungen das Körpergefühl und die Koordinationsfähigkeit zu verbessern. Der Trainierende steht – durch einen Gurt gegen Umfallen gesichert – auf dem Balancetrainer und bewegt sich im Stehen möglichst zielgenau in vorgegebene Richtungen. Die Kontrolle erfolgt über ein Display, das ein visuelles Feedback gibt und am Ende ein Bewegungsmuster anzeigt.
Vorteile: Der Balancetrainer dient der Verbesserung verschiedener MS-Symptome und ist durch seinen Spielecharakter sehr motivierend.
Bedenken: Wie bei allen Stehgeräten besteht die Gefahr, dass der Kreislauf bei Schwerbetroffenen absackt. Deshalb sollten die Übungen unter Aufsicht eines Therapeuten durchgeführt werden.
Vibrationsplattform
Die Vibrationsplattform dient im niedrigen Frequenzbereich der Verbesserung von Gleichgewicht sowie Koordination und dem Lösen von Spastik.
Im höheren Frequenzbereich wird Kraft aufgebaut. Bei der Übung steht der Trainierende möglichst frei auf einer Fläche, die in vorgegebener Stärke in Schwingungen versetzt wird. Diese muss er durch spontanen Körpereinsatz ausgleichen. Die Übung ist im höheren Frequenzbereich sehr fordernd und wird in der Regel nicht länger als zwei bis drei Minuten durchgeführt.
Vorteile: Die Vibrationsplattform kann bei verschiedenen Symptomen eingesetzt werden und fordert den Trainierenden intensiv.
Bedenken: Es besteht unter Umständen Sturzgefahr. Bei zu hohen Frequenzen kann die Spastik verstärkt werden. Auch kann es zu Schwindel kommen, wenn es dem Körper nicht gelingt, die Schwingungen auszugleichen.
MTD-Trainer (Multifunktionsplattformen)
Messen, Trainieren und Dokumentieren – diese sich ergänzenden Funktionen bietet der MTD-Trainer und ist damit in der Rehabilitation von MS-Erkrankten gut einsetzbar.
Der Trainierende steht auf zwei Druckmessplatten, die eine Verlagerung des Körpergewichts messen und genau dokumentieren, welches Bein wie stark belastet wird. Der MTD-Trainer dient vor allem der Verbesserung der Gleichgewichtsfähigkeit und dem Kraftaufbau.
Vorteile:
Durch das Feedback- und Dokumentationstool ist der MTD-Trainer sehr vielseitig im Einsatz.
Bedenken:
Der Patient muss recht sicher stehen können, da es zwar Griffe zum Festhalten, aber kein Sicherungssystem gibt.
Posturomed®
Der Posturomed führt zu einer Stabilisierung sowie Optimierung der Körperhaltung und dient in allererster Linie dem Gleichgewichtstraining.
Doch auch die Kraft wird verbessert. Das Gerät besteht aus einer Platte, die an vier Federn aufgehängt ist. Durch rhythmische Stimulation wird der Trainierende zu einer spontanen Korrektur der Haltung und zu einer Harmonisierung der Muskelzusammenarbeit angeregt. Der Patient ist beim Üben durch ein Geländer gesichert.
Vorteile: Die rhythmische Stimulation kann durch den Therapeuten gesteuert werden, so dass der Posturomed individuell an die Fähigkeiten und Potenziale eines MS-Erkrankten angepasst werden kann.
Bedenken: Voraussetzung für die Benutzung des Posturomeds ist die Stehfähigkeit des MS-Erkrankten.