Mit einem wegweisenden Schritt für mehr Inklusion im Gesundheitswesen haben die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) und zahlreiche weitere Behinderten- und Selbsthilfeverbände gemeinsam mit Medizinern mit Behinderung ein umfassendes Positionspapier zur Inklusiven Medizin im Medizinstudium veröffentlicht. Das Papier enthält 21 zentrale Forderungen, die eine stärkere Berücksichtigung von Menschen mit chronischer Erkrankung und/oder Behinderung im Medizin-Curriculum verlangen.
Etwa 40 Prozent der deutschen Bevölkerung leben mit einer chronischen Erkrankung, 10,3 Millionen Menschen haben eine anerkannte Behinderung und rund 7,9 Millionen gelten als schwerbehindert – trotzdem ist die Lebensrealität dieser Menschen im Medizinstudium kaum präsent. Nach der Sozialerhebung „beeinträchtigt studieren - best3” 2023 der Studierendenwerke fühlten sich 16 Prozent durch krankheitsbedingte Behinderung im Studium beeinträchtigt. Die mangelnde Berücksichtigung der Belange von chronisch kranken oder Menschen mit Behinderungen widerspricht nicht nur praktischen Erfordernissen, sondern auch der UN-Behindertenrechtskonvention, die einen barrierefreien Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung als Menschenrecht festschreibt.
Das Positionspapier fordert u.a.:
- Verankerung von Basiswissen über sozialrechtliche Aspekte, Hilfsmittelversorgung und Versorgungsstrukturen
- Sensibilisierung für Barrieren in der Kommunikation, Diagnostik und Therapie – z.B. durch den Einsatz Leichter Sprache, Gebärdensprachdolmetschung und Verständnis nonverbaler Signale
- Einbindung von Menschen mit Behinderung in die Lehrplanung und praktische Ausbildung, z.B. durch Simulationstage mit Betroffenen
- Stärkere Berücksichtigung psychischer Erkrankungen, seltener Erkrankungen sowie Diskriminierungserfahrungen wie Ableismus
- Multiprofessionelle Zusammenarbeit und besondere Anforderungen an die partizipative Entscheidungsfindung
Unterzeichnet wurde das Positionspapier unter anderem von der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG). Zu den weiteren Unterstützenden zählen: Die Mitglieder des Vorstandes des Allgemeinen Behindertenverbandes in Deutschland (ABiD) e.V., der BAG SELBSTHILFE e.V., des Deutschen Gehörlosen-Bundes e.V., des Bundesverbandes für Menschen mit Arm- oder Beinamputation e.V., der Deutschen Myasthenie Gesellschaft e.V., der Deutschen Dystonie Gesellschaft e.V., der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz, des Bundesverbandes der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e.V., die Hamburger Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen (LAG) e.V. sowie Kinder in schwieriger Ernährungssituation e.V.
Das Projekt wurde unter anderem von Dr. Julia Augustin begleitet. Sie ist Ärztin mit einer Muskelerkrankung und leitet den Gesundheitsbereich beim ABiD e.V. Fachlich unterstützt wurde die Erarbeitung des Positionspapiers zudem durch Dr. Ulrike Gotthardt und Katja Hopfenzitz, beide taub und im Fachteam Gesundheit des DGB tätig. Alle drei brachten sowohl medizinische Expertise als auch persönliche Perspektiven als Mediziner mit Behinderung ein. Die DMSG bedankt sich insbesondere bei Prof. Dr. Peter Flachenecker und den Mitgliedern der AG Reha des Ärztlichen Beirates für ihre Beteiligung an der Erstellung des Positionspapiers.
Das Positionspapier wurde am 30. April 2025 offiziell verabschiedet und bereits an den Medizinischen Fakultätentag, das Bundesministerium für Gesundheit und die Bundesärztekammer übermittelt.
Unser Ziel ist klar: Inklusion muss künftig als Grundsatz ärztlicher Ausbildung verstanden und gelebt werden. Das Medizinstudium muss diverser, barrierefreier und inklusiver werden – im Sinne aller Patienten und aller künftigen Ärzte.
Das vollständige Positionspapier kann unter folgendem Link abgerufen werden: Positionspapier Inklusive Lehre im Medzinstudium.
Redaktion: DMSG-Bundesverband e.V. - 09.05.2025