Multiple Sklerose kann sie nicht aufhalten: Dressurreiterin Regine Mispelkamp holt drei Medaillen bei den Paralympischen Spielen
Nach der Bronze-Medaille bei den Spielen in Tokio 2021 (die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e.V. berichtete) steigerte Regine Mispelkamp bei den diesjährigen Paralympics ihre Leistungen weiter und erreichte in Paris den zweiten Platz im Einzel-Wettbewerb.
Mit dem von ihr ausgebildeten Pferd Highlander Delight’s erweiterte sie die Medaillensammlung in der Kür um eine weitere silberne und eine bronzene im Team. Ein überwältigender Erfolg für die Pferdewirtschaftsmeisterin, die seit mehr als 20 Jahren mit Multipler Sklerose (MS) lebt.
„So richtig ist es bei mir noch gar nicht angekommen, was da gerade passiert ist. Ich bin total glücklich. Das Pferd ist mit der besonderen Atmosphäre sehr gut klargekommen und durch eine tolle Prüfung gegangen“, sagte die Dressurreiterin aus Geldern nach dem Wettkampf im Interview mit der Lokalzeit Duisburg des Westdeutschen Rundfunks.
Lange hat sie für dieses Ziel trainiert. Die Dipl. Trainerin des DOSB (Deutscher olympischer Sportbund) sitzt schon fast ihr ganzes Leben lang auf dem Rücken der Pferde, unterrichtet im eigenen Turnier- und Ausbildungsstall. Der Reitsport begleitet sie schon seit frühester Jugend. Bereits im Alter von sieben Jahren hatte sie täglich Reittraining und begann mit 15 Jahren ihre Turnierkarriere. Zu ihren Trainern gehörten namhafte Reiter wie Paul Schockemöhle und Ludger Beerbaum. Mitte der 90er Jahre sammelte sie bereits Turniererfolge und hat ihr Hobby zum Beruf gemacht. Im Jahr 2000 machte sie ihren Abschluss zur Pferdewirtschaftsmeisterin. Die dreijährige Trainerausbildung zur Diplomtrainerin des deutschen olympischen Sportbundes in Köln an der Trainerakademie rundete die berufliche Laufbahn ab.
Diagnose MS kann ihre Begeisterung für den Reitsport nicht stoppen
Die Diagnose sei ein Schock für sie gewesen, berichtet Mispelkamp. Seit mehr als 20 Jahren lebt sie mit MS. Ihr Umfeld merkte davon nichts. Lange Zeit hat sie die Krankheit verheimlicht. Bis im Herbst 2017 beim Training heftige linksseitige Sensibilitätsstörungen auftraten. Weil sich die Symptome nicht mehr verbergen ließen, vertraute sie sich ihrer Trainerin an und erzählte das erste Mal jemandem außerhalb ihrer Familie von ihrer Krankheit. Die Diagnose schubförmige MS hatte sie bereits mit Anfang Dreißig erhalten. Wegen Missempfindungen im linken Bein war sie damals zum Orthopäden gegangen. Es stellte sich schnell heraus, dass ihre Beschwerden nicht, wie vermutet, von einem Bandscheibenvorfall verursacht wurden. Eine Untersuchung im Krankenhaus bestätigte: Es ist MS. „Ich hatte große Angst, den Pferdesport, der schon damals für mich Leidenschaft und Beruf war, eines Tages nicht mehr ausüben zu können“, berichtet Mispelkamp.
Die Idee, sich beim deutschen Para-Dressurteam zu bewerben, kam von ihrer Trainerin. Anfang 2018 ritt sie einem Komitee, bestehend aus Vertretern des Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten (DKThR) und der Deutschen Reiterlichen Vereinigung vor und absolvierte anschließend die nationale und internationale Sportuntersuchung. Sie wurde in Grade V eingestuft, in dem Reiter mit Behinderungen in maximal zwei Gliedmaßen oder Einschränkungen der Sehfähigkeit starten. Für Equipe-Chefin Britta Bando war Mispelkamp ein Glücksgriff: Eine MS-Erkrankte,die bereits im Regelsport zahlreiche Platzierungen und Siege bis zum Grand Prix errungen hatte.
„Ich möchte anderen Menschen Mut machen“, sagt die Spitzensportlerin
Für Regina Mispelkamp ist es in Paris die zweite Teilnahme an den Paralympics. "Ich bin heiß auf Tokio", sagte sie im Interview mit dem DMSG-Bundesverband vor ihrer ersten Paralympics. Zu diesem Zeitpunkt war sie amtierende deutsche Meisterin in der Para-Dressur. Ein Jahr zuvor hatte sie bei der Weltmeisterschaft der Para-Reiter in den USA die Bronze-Medaille geholt. Mit ihrer Mannschaft qualifizierte sie sich für die Paralympics 2020, die aufgrund der Corona-Pandemie auf das Jahr 2021 verschoben wurden. Mit der Teilnahme an den Paralympics in Tokio sei für sie ein Traum in Erfüllung gegangen, sagte Mispelkamp. „Ich möchte damit zeigen, dass es auch mit gesundheitlichen Einschränkungen möglich ist, auf höchstem Niveau zu reiten“, betonte die heute 53-Jahrige, die mit ihrem Beispiel auch andere dazu motivieren will, ihre Ziele trotz der noch unheilbaren Erkrankung weiterzuverfolgen: „Es geht immer weiter. Man muss nur an sich glauben!“
Zu ihrem Team gehört auch die älteste deutsche Teilnehmerin: Die 69-jährige Heidemarie Dresing, die im Jahr 2011 im Alter von 52 Jahren mit Multipler Sklerose diagnostiziert wurde. Als Mitglied des Paradressur-Teams konnte sie sich in Paris zwei Bronzemedaillen sichern. Mehr
Im Para-Reitsport nehmen auffällig viele Athletinnen und Athleten mit MS teil. So startet im deutschen Team außer Dresing und Medaillengewinnerin Mispelkamp auch die ursprünglich für Paris eingeplante Martina Benzinger mit Multipler Sklerose. Ihr Pferd war wenige Wochen vor den Paralympischen Spielen verstorben, so dass sie nicht starten konnte.
Mehr über die erfolgreiche Teilnahme von Regina Mispelkamp und den deutschen Para-Reiterinnen an den Paralympischen Spielen in Paris lesen Sie hier.
Quelle: aktiv!, ARD, Rheinische Post, Tagesspiegel - 08.09.2024
Redaktion: DMSG-Bundesverband e.V. - 09.09.2024