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MS-Forschung

30 Jahre Sobek-Stiftung: Forschungspreise für Best-Leistungen auf dem Gebiet der Multiplen Sklerose

Laudatoren und Preisträger der Sobek Preisverleihung 2024: Ministerialdirektor Dr. Hans J. Reiter (von links), Nachwuchspreisträger Dr. Ali Maisam Afzali, Hauptpreisträger Prof. Dr. Dr. Jens Kuhle und Laudator Prof. Dr. med. Klaus V. Toyka. Bild:© AMSEL e.V. / Frank Eppler

Die Sobek-Stiftung verleiht in Zusammenarbeit mit der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e.V. und der AMSEL - Aktion Multiple Sklerose Erkrankter, Landesverband der DMSG in Baden -Württemberg die mit 115.000 Euro dotierten Forschungspreise für klinische und experimentelle Forschung zur Multiplen Sklerose (MS). Preisträger im Jubiläumsjahr 2024 sind Prof. Dr. Dr. Jens Kuhle (Basel) und Dr. Ali Maisam Afzali (München).

Biomarker weisen den Weg zur individualisierten Therapie

Mit einem Festakt im Konzertsaal der Stuttgarter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst hat die Roman, Marga und Mareille-Sobek Stiftung ihr 30-jähriges Bestehen gefeiert und  richtungsweisende Leistungen von zwei Wissenschaftlern im Bereich der Multiple-Sklerose-Forschung gewürdigt, die mit ihren Forschungsergebnissen neue Perspektiven für die Diagnose und Therapie der MS eröffnen für die Lebensqualität von Menschen mit dieser noch nicht heilbaren, aber immer besser therapierbaren Autoimmunkrankheit.

Der mit 100.000 Euro europaweit höchstdotierte Preis in der MS-Forschung und dazugehörigen MS-Grundlagenforschung ging in diesem Jahr an Prof. Dr. Dr. Jens Kuhle, Leiter des Multiple Sklerose Zentrums mit Neuroimmunologie am Universitätsspital Basel. Den mit 15.000 Euro dotierten Nachwuchspreis erhielt Dr. med. Ali Maisam Afzali, Institut für experimentelle Neuroimmunologie und Neurologische Klinik, Technische Universität München.

Sobek-Preisträger Prof. Dr. Dr. Jens Kuhle schafft die Grundlage für individuell angepasste Therapieansätze

Prof. Dr. med. Dr. phil. Jens Kuhle (*1973) erhielt den Sobek Forschungspreis 2024 für seine Pionierleistungen auf dem Gebiet der Erforschung und Entwicklung laborgestützter Biomarker bei MS. Diese markieren die bei MS typischen Krankheitsprozesse der Neurodegeneration und Astrogliose. Kuhle erforscht seit 2014 in Zusammenarbeit mit zahlreichen nationalen und internationalen MS-Zentren die Bedeutung von Biomarkern für die Krankheitsaktivität und die Progression der MS und ihre Aussagekraft über pathologische Krankheitsmechanismen der Neurodegeneration. Mittels Laboruntersuchung von Blut- und Liquorproben wurden neue quantifizierbare Biomarker ermittelt, die Aussagen über den individuellen Krankheitsverlauf von MS-Patienten erlauben. Laborgestützte Biomarker können damit neue Hinweise für die individuelle Therapieentscheidung geben.

Die Messung von Neurofilament Leichtkette (NfL) im Blut gibt als Biomarker Hinweise auf eine Schädigung von Nervenzellen. Ein weiterer Marker ist das saure Gliafaserprotein (GFAP), dessen Anstieg bei MS die Vernarbungsaktivität anzeigt. Ein hoher NfL-Wert spreche für eine hohe Krankheitsaktivität, mit der Konsequenz, dass eine Intensivierung der Therapie zu bedenken ist. Ein dauerhaft niedriger NfL-Wert könne als Hinweis auf einen Rückgang der Krankheitsaktivität gewertet werden, so der Preisträger. Da eine neuronale Schädigung auch bei anderen neurologischen Erkrankungen vorkommt, sei damit zu rechnen, dass die NfL- und GFAP-Diagnostik künftig auch bei Erkrankungen wie Schädel-Hirn Trauma, M. Alzheimer und anderen degenerativen Erkrankungen nutzbar gemacht werden kann.

Ministerialdirektor Dr. Hans J. Reiter, Amtschef des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, bezeichnete Kuhles Forschungsleistung in seiner Laudatio als zukunftsweisend. „Prof. Jens Kuhle hat Pionierarbeit bei der Erforschung und Behandlung von Multipler Sklerose geleistet. Besonders hervorzuheben sind seine bahnbrechenden wissenschaftlichen Leistungen in der Entwicklung laborgestützter Biomarker, die international höchste Anerkennung finden. Dank dieser Biomarker kann die Schädigung von Nervenzellen frühzeitig erkannt und auch der Krankheitsverlauf besser prognostiziert werden. Darüber hinaus schaffen sie die Grundlage für die Entwicklung individuell angepasster und damit auch effektiverer Therapieansätze.“

Nachwuchs-Preisträger entschlüsselt Kontrollfunktion der Thymus-B-Lymphozyten

Dr. med. Ali Maisam Afzali (*1989) wurde für seine umfangreichen und grundlegenden experimentellen Untersuchungen zur Immunologie der MS mit dem Sobek Nachwuchspreis ausgezeichnet. Die intensive wissenschaftliche Arbeit Afalis mündete in mehrere hervorragende Publikationen. Seine jüngste Arbeit beschreibt in einer umfangreichen experimentellen Studie die Entdeckung lange vermuteter, aber bisher nicht vollständig geklärter Mechanismen bei der MS-ähnlichen Erkrankung Neuromyelitis optica (NMO). Sie sind als hoch bedeutsam einzuschätzen und auch für andere Autoimmunerkrankungen bedeutsam. Sein innovativer Forschungsansatz lieferte wichtige Hinweise auf die Steuerung der Antikörperproduktion in Plasmazellen durch B-Lymphozyten im Thymus. Mit neuesten Techniken wie genetischen Manipulationen an diesen steuernden Thymus-B-Zellen und mit anderen Strategien ist es dem Preisträger gelungen, die weitreichende immunologische Kontrollfunktion der Thymus-B-Lymphozyten bei der NMO zu entschlüsseln. Seine Forschungsergebnisse vertiefen insgesamt das Verständnis von Autoantikörper-vermittelten Autoimmunerkrankungen des Nervensystems. Laudator Prof. Dr. med. Klaus V. Toyka, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Sobek Stiftung, lobte Afzalis Leistungen: „Ihre Erkenntnisse können die Basis für innovative Therapiestrategien für Autoimmunkrankheiten wie der MS liefern.“

Im Namen des Bundesverbandes der DMSG begrüßte die Vorsitzende Prof. Dr. med. Judith Haas die zahlreichen Gäste aus Forschung, Politik und Wirtschaft zur Verleihung des Sobek Preises 2024. Darunter Menschen mit MS, aus Politik und Wirtschaft, vor allem aber Forscher. Darunter auch Prof. Dr. Hans Lassmann, Pionier der Immunpathologie in der Multiple-Sklerose-Forschung und seinerzeit der erste Sobek-Forschungspreisträger.

Adam Michel, Vorsitzender der AMSEL e.V., zeigte sich erfreut darüber, dass das medizinische Interesse von MS-Erkrankten mit den Jahren stark gewachsen ist. Er verbuchte dies auch als Erfolg von AMSEL und DMSG, die systematisch neue Forschungsergebnisse und Therapieoptionen patientengerecht aufbereiten und veröffentlichen.

Prof. Haas dankte der Sobek-Stiftung für ihr Engagement im Bereich der MS: "MS-Erkrankte können hoffnungsvoll in die Zukunft blicken für ein immer besseres Leben mit MS."

Die erfahrene Neurologin bezeichnete die Fortschritte im Monitoring der Krankheitsaktivität als wichtige Hoffnungsträger für ein immer besseres Leben mit MS: "Prof. Dr. Dr. Jens Kuhle, der Sobekpreisträger 2024, analysierte Neurofilamente in Blut und Liquor im Hinblick auf Krankheitsaktivität. Dies ermöglicht in naher Zukunft auch im klinischen Alltag subklinische Aktivität unabhängig von Schüben mit einer Blutentnahme zu erfassen und wird Therapieentscheidungen nachhaltig beeinflussen."
Se verdeutlichte wofür die Sobek-Preisträger stehen:

- für Fortschritte im Verständnis des Autoimmunprozesses                             

- für Fortschritte im Bereich der Individualisierung der Immuntherapie

- für Fortschritte im Monitoring der Krankheitsaktivität

"Wir freuen uns immer, wenn wir später im Ärztlichen Beirat des DMSG-Bundesverbandes ehemalige Nachwuchspreisträger begrüßen können", betonte Haas. In diesem Jahr freue sich besonders auf die Vorträge der Preisträger von 2017, Prof. Dr. Ludwig Kappos, und 2019, Prof. Dr. Burkhardt  Becher, erklärte sie: "Mit Professor Kappos verbindet mich eine der ersten Studien zur Immuntherapie vor 40 Jahren, Azathioprin versus Cyclosporin A, zu einer Zeit, wo die Immuntherapie noch mehrheitlich von den deutschen Neurologen vehement abgelehnt wurde. Damals konnte die Krankheitsaktivität nur klinisch durch eine sorgfältige neurologische Untersuchung gemessen werden. Heute helfen das MRT und zukünftig auch lösliche Biomarker den Verlauf der Erkrankung zu beurteilen."

Sobek-Preisträger berichten über ihre Fortschritte in der MS-Forschung

Traditionell präsentierten auch die Preisträger vorangegangener Jahre die jüngsten Ergebnisse ihrer Arbeit, die mit den Sobek Preisgeldern gefördert wurden.

Der Sobek Forschungspreisträger 2017, Prof. Dr. Ludwig Kappos vom Universitätsspital Basel, betonte den Stellenwert von Beobachtungsstudien als Ergänzung zu und Absicherung von Ergebnissen aus prospektiven, randomisierten Studien. Grundlagenforschung führe zu einem besseren Verständnis der Krankheitsentstehung und zur Entwicklung innovativer Substanzen.

Voraussetzung für die Relevanz der Ergebnisse sei ein strenges Studiendesign über einen möglichst langen Zeitraum. So hat bspw. eine Beobachtungsstudie über zehn Jahre den Nachweis erbracht, dass Ocrelizumab Schübe zwar fast vollständig verhindern, eine von Schüben zeitlich unabhängige schleichende Progression (kurz: „PIRA“) allerdings nur teilweise aufhalten kann. Die Krankheitsprogression bleibe somit zentrales Thema in Forschung, Diagnostik und Therapie. Den anhaltenden Prozess der Verschlechterung könne man über alle Verlaufsformen hinweg beobachten. Beim Erfassen dieser Progression sei ein ganzheitliches Herangehen erforderlich.

Großes Potenzial für individualisierte Therapieoptionen und Verlaufsprognose sieht Professor Kappos in den Labor-Biomarkern NfL und GFAP, die der diesjährige Preisträger erforscht, und im Monitoring von digitalen Biomarkern via Smartphone oder Smartwatch durch MS-Betroffene. Hier liefern aktive Kurz-Tests zu Mobilität, Kognition und Sehen sowie die passive Überwachung etwa von körperlicher Aktivität, Herzfrequenz, Kalorienverbrauch etc. wichtige Daten über den Erfolg einer Therapie und eine Entscheidungsgrundlage für einen möglichen Wechsel. Die Datenerhebung dafür – das Studienprogramm dreaMS—soll in Kürze beginnen.

Auf den Spuren der Schwangerschaft als Therapie der MS

Dass Multiple Sklerose durch eine Misskommunikation zwischen Zellen entsteht, diese Meinung vertrat Prof. Dr. Burkhard Becher, Zürich, schon 2019 bei seiner Sobek Forschungspreisverleihung. Die Ankündigung heute, dass er sich bis zu seiner Emeritierung 2034 unter anderem mit der Beuteltierforschung beschäftigen wolle, sorgte für Erstaunen im Publikum: Was haben Beuteltiere mit MS zu tun? Die Gäste durften gespannt sein auf seine einmal mehr humorvolle Präsentation wissenschaftlicher Erkenntnisse.

Eine Schwangerschaft sei eine der besten MS-Therapien, so Becher. Schwangere erleben selten Schübe. Warum aber wird der Fötus im Mutterleib nicht vom Immunsystem als körperfremd erkannt und abgestoßen? Woher kommt diese spezifische Immuntoleranz, die für das Überleben einer ganzen Spezies sorgt? Professor Bechers These: Die Schwangerschaft stimuliert toleranzerzeugende regulatorische Lymphozyten, die das Zentrale Nervensystem vor dem Angriff schützen. Was diesen Mechanismus auslöst, will der Züricher Neurologe durch immunologische „Fingerabdrücke“ von schwangeren Frauen im Vergleich zu denen von Beuteltieren herausfinden. Denn anders als beim Menschen werden Beuteltier-Föten tatsächlich schon nach etwa 30 Tagen abgestoßen und geboren, wachsen dann ein knappes Jahr im Beutel des Muttertieres heran. Die Unterschiede in den immunologischen Fingerabdrücken könnten Ansatzpunkte für die Entwicklung neuer Therapien der MS ergeben.

Alles begann mit Mareille Sobek

Runde Jubiläen, betonte Andrea Schildhorn, Vorstandsvorsitzende der Sobek-Stiftung unter dem Dach des Deutschen Stiftungszentrums GmbH, abschließend, eignen sich besonders dafür, Vergangenes und Kommendes miteinander zu verbinden. Die an MS erkrankte Mareille Sobek starb 1960 mit 21 Jahren. Seit Gründung der Sobek Stiftung 1994 habe sich die Lebenssituation der MS-Erkrankten durch die Vielfalt der zugelassenen Wirkstoffe signifikant verbessert. Die heutigen Vernetzungsmöglichkeiten und die Einbeziehung künstlicher Intelligenz bieten ermutigende Perspektiven für künftige individualisierte Therapieoptionen der MS. Die Auslobung der Sobek-Forschungspreise wird diese positive Entwicklung auch künftig fördern.

Den musikalischen Rahmen des Festakts gestaltete Professor Johannes Monno mit Studierenden der Musikhochschule.

Sobek-Stiftung und Sobek-Forschungspreise

Vor 30 Jahren wurde die Roman, Marga und Mareille Sobek-Stiftung gegründet. Roman und Margas Tochter war sehr jung an Multipler Sklerose gestorben. Ihr Wunsch war es, anderen MS-Erkrankten zu helfen.

Mittlerweile hat der wissenschaftliche Beirat der Sobek-Stiftung über 30 Sobek Forschungspreise verliehen. Der Sobek-Forschungspreis geht an die besten der besten Forscherinnen und Forscher in Europa, die sich durch herausragende Leistung auf dem Gebiet der Multiple Sklerose-Forschung auszeichnen. Mit 100.000 Euro ist er europaweit der höchstdotierte Preis für die Erforschung der MS.

Neben dem Hauptpreis wird jährlich ein Nachwuchspreis verliehen. Dieser ist mit 10.000 Euro dotiert und geht ebenfalls an Forscherinnen und Forscher, die sich der (Grundlagen-) Forschung der MS widmen und darin herausragende Leistungen erzielen.

Die Auslobung des Sobek-Nachwuchspreises begann ein paar Jahre nach der Auslobung der Sobek Forschungspreise. In einzelnen Jahren gingen der Sobek-Forschungspreis und der Sobek-Nachwuchspreis außerdem an zwei Preisträger.

Die Sobek-Forschungspreise helfen nicht nur, MS-Forschung zu finanzieren. Sie sind zusätzliche Motivation und Antrieb für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Multiple Sklerose unabhängig zu erforschen und damit die Behandlungsmöglichkeiten sowie die Lebensqualität von Menschen mit MS zu verbessern.

Quelle: AMSEL e.V., Bilder: AMSEL e.V. /Frank Eppler - 12.12.2024
Redaktion: DMSG-Bundesverband e.V. - 12.12.2024

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