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DMSG Aktuell

MS-Medikamente in der Schwangerschaft: Wie riskant sind sie?

Medizinerinnen raten zu frühzeitiger Beratung durch behandelnde Fachärzte

Eine aktuelle Analyse des Multiple Sklerose und Kinderwunsch Registers (DMSKW) hat ergeben, dass einige krankheitsmodifizierende Therapien (DMTs) der Multiplen Sklerose (MS) mit einer Familienplanung vereinbar sind, während andere potenzielle Risiken für das Neugeborene mit sich bringen können. Insbesondere S1P-Modulatoren (Fingolimod [Gilenya®, diverse Generika], Siponimod [Mayzent®], Ozanimod [Zeposia®] und Ponesimod [Ponvory®]) sollten vermieden werden, da hier mit Wachstumsverzögerungen zu rechnen ist und ein erhöhtes Risiko für angeborene Anomalien des Kindes nicht ausgeschlossen werden kann.

Die Multiple Sklerose betrifft oftmals jüngere Frauen, sodass die Themen Kinderwunsch und Schwangerschaft neben der Forschung besonders für Frauen mit MS relevant sind. Zwar geht bei vielen Menschen mit MS die Krankheitsaktivität während der Schwangerschaft zurück, bei hochaktiver MS mit häufigen Schüben kann jedoch eine Weiterbehandlung mit verlaufsmodifizierenden Medikamenten (Disease modifying therapy, DMT) erforderlich sein.

In den letzten 20 Jahren haben sich die Behandlungsoptionen der MS deutlich erweitert, doch zu den Risiken für Mutter und Kind beim Einsatz in der Schwangerschaft ist bislang nur wenig bekannt. Welche der neuen Wirkstoffe (Wirkstoffgruppen) sind sicher beziehungsweise welche Risiken bergen sie? Hierfür hat das deutschsprachige Multiple Sklerose und Kinderwunsch Register (DMSKW) mit Sitz im St. Josef-Hospital, Klinikum der Ruhr Universität Bochum um Frau Professor Kerstin Hellwig, Mitglied im Ärztlichen Beirat des DMSG-Bundesverbandes, seit dem Jahr 2006 Daten zu DMT gesammelt, die während der Schwangerschaft eingesetzt wurden. DMSKW-Daten von 2.885 Schwangerschaften bei Frauen mit MS mit DMT-Behandlung wurden nun ausgewertet. Bei 2.260 Frauen (78,3 Prozent) wurde die Behandlung bereits vor der Schwangerschaft (median 7,4 Wochen vor der Schwangerschaft) oder in den ersten Wochen der Schwangerschaft (nach median 4,4 Wochen in der Schwangerschaft) beendet. Von den Übrigen setzten 327 Frauen (11,3 Prozent) die DMT über die gesamte Schwangerschaft fort. Diese Daten wurden mit denen von 837 MS-Erkrankten verglichen, die keine DMT erhalten haben. Die eingesetzten DMT waren hauptsächlich Interferon-beta [z.B. Betaferon®, Rebif®, Avonex®, Plegridy®, Glatirameracetat [Copaxone®, Clift®], Fumarate (Dimethylfumarat [Tecfidera®, div. Generika], Diroximelfumarat [Vumerity®]) sowie Natalizumab [Tysabri®, Tyruko®] und anti-CD20-Antikörper (Ocrelizumab [Ocrevus®], Rituximab [off label, z.B. MabThera®, Rixathon®, Truxima®], Ofatumumab [Kesimpta®]). Auch Sphingosin-1-Phosphat (S1P) -Modulatoren (Fingolimod [Gilenya®, div. Generika], Ozanimod [Zeposia®],  Ponesimod [Ponvory®]) wurden ausgewertet.

Die gute Nachricht: Bei Frauen mit DMT-Behandlung, kam es nicht häufiger zu Spontan-Aborten (Fehlgeburt), Frühgeburten oder schweren angeborenen Anomalien (Fehlbildungen) als bei den MS-Erkrankten, die während der Schwangerschaft keine DMT erhalten hatten.

Häufige Nebenwirkung bei den immunsuppressiv wirksamen DMT ist eine höhere Infektionsgefahr. Insgesamt war die Rate schwerer Infektionen in dieser Studie jedoch gering (bei MS-Erkrankten ohne DMT: 1,0 Prozent). Schwere Infektionen traten vor allem bei den Frauen auf, die Fumarate erhalten hatten (2,8 Prozent). Bei Natalizumab-Behandelten im 2. (26,7 Prozent) oder 3. Trimenon (20,7 Prozent) und bei Frauen, die vor der Schwangerschaft mit anti-CD20 Antikörpern (23,2 Prozent) behandelt wurden, waren häufiger Antibiotika erforderlich, verglichen mit der DMT-freien Gruppe (12,1 Prozent).

Bei 27,4 Prozent der untersuchten Frauen, die S1P-Rezeptoragonisten erhalten hatten, waren die Neugeborenen zu leicht für das durchschnittliche Gestationsalter (Schwangerschaftsalter). Auch unter den mit anti-CD20-Antikörper Behandelten war das Risiko für ein zu kleines Baby, bezogen auf das Reifealter, um das etwa 1,5-fache erhöht im Vergleich zur Gruppe ohne DMT. Außerdem wurde ein erhöhtes Risiko für ein geringes Geburtsgewicht im Verhältnis zum Gestationsalter in der gesamten Kohorte (18,8 Prozent) im Vergleich zur deutschen Allgemeinbevölkerung (10 Prozent) festgestellt.

Fazit der Bochumer Wissenschaftler: Interferon-beta-Formulierungen, Glatirameracetat und Fumarate scheinen sichere Behandlungsoptionen in der Frühschwangerschaft für Erkrankte mit einem leichten bis mittelschweren Krankheitsverlauf zu sein. Bei Erkrankten mit hochaktiver MS haben sich Natalizumab und anti-CD20-Antikörper, beziehungsweise auch Cladribin (Mavenclad®), wenn ein Sicherheitsabstand von sechs Monaten eingehalten wird, als vielversprechende Therapieoptionen vor der Schwangerschaft herausgestellt. Sphingosin-1-Phosphat-Modulatoren (Fingolimod [Gilenya®, div. Generika], Siponimod [Mayzent®], Ozanimod [Zeposia®] und Ponesimod [Ponvory®]) sollten jedoch aufgrund einer erhöhten Wachstumsverzögerung und eines potenziell erhöhten Risikos für angeborene Anomalien vermieden werden.

Kommentar von Nadine Bast, Erstautorin der Studie:

„Frauen mit MS und Kinderwunsch sollten diesen frühzeitig mit ihren behandelnden Ärzten besprechen, um eine rechtzeitige Anpassung der Medikation zu planen, insbesondere, wenn sie hochwirksame DMTs wie S1P-Modulatoren oder Natalizumab einnehmen, die einen „Rebound-Effekt" nach Absetzen verursachen können, d.h. zu erhöhter Krankheitsaktivität aufgrund der Absetzung führen können. Bei schwangeren MS-Erkrankten mit schwerer Krankheitsaktivität unter Natalizumab

 

 

 

Therapie sollte eine fortgesetzte Behandlung durch die Schwangerschaft in Betracht gezogen werden. Nach Risiko-Nutzen Abwägung kann auch die Einnahme von anti-CD20 Antikörpern für Frauen mit hochaktiver MS bis zum Schwangerschaftseintritt sinnvoll sein, oder eine Einstellung auf Cladribin. Unsere Ergebnisse betonen die Bedeutung einer individuell abgestimmten Therapie in enger Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten, um die Gesundheit von Mutter und Kind optimal zu gewährleisten.“

 

Quelle: 

Impact of disease-modifying therapies on pregnancy outcomes in multiple sclerosis: a prospective cohort study from the German multiple sclerosis and pregnancy registry Bast N, Dost-Kovalsky K, Haben S, Friedmann N, Witt L, Oganowski T, Gold R, Thiel S, Hellwig K. Lancet Reg Health Eur. 2024 Dec 2;48:101137. doi: 10.1016/j.lanepe.2024.101137. PMID: 39811788; PMCID: PMC11732200.

Redaktion: DMSG-Bundesverband e.V. - 02.04.2025

 

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