Hintergrund: In Bezug auf die Impfung gegen SARS-CoV2 sind unterschiedliche Handlungsweisen von Bedeutung. Erstens, dass möglichst viele der noch Unentschlossenen so schnell wie möglich geimpft werden. Die verschärften Regeln, werden manche MitbürgerInnen wahrscheinlich dazu bringen, sich rasch impfen zu lassen. Dennoch werden sich weiterhin einige Millionen Menschen in Deutschland – das hat die Erfahrung der letzten Monate gezeigt – nicht von der Sinnhaftigkeit der Impfung überzeugen lassen und daher auch weiterhin keinen effektiven Schutz vor einer krankmachenden Virusinfektion haben. „Es sei hier nochmals klar gesagt: Insbesondere Menschen mit Autoimmunerkrankungen wie der Multiplen Sklerose profitieren von einem Impfschutz gegen SARS-CoV2 – eine MS-Erkrankung und auch eine Immuntherapie bei MS sind aufgrund vorliegender Daten keine Kontraindikation gegen eine Impfung“, betont Prof. Mathias Mäurer, Chefarzt der Neurologischen Klinik des Juliusspitals in Würzburg, Sprecher des Fachausschuss Versorgungsstrukturen und Therapeutika und Mitglied des Vorstands des KKNMS und Mitglied im Ärztlichen Beirat der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e.V.
Studie zeigt signifikante Verbesserung durch Booster-Impfung
Zum Zweiten, gewinnt die Auffrischungsimpfung – die sog. Booster-Impfung oder 3. Impfung gegen SARS-CoV2 – derjenigen, die schon einen zweifachen Impfschutz erhalten haben gerade eine überragende Bedeutung. Im Wissenschaftsjournal The Lancet vom 29.10.2021 wurden die Daten aus Israel zur dritten Impfung mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer publiziert (Barda N. et al. Lancet 2021 Oct 29: S0140-6736(21)02249-2). Dies Daten belegen, dass die 3. Impfung in Bezug auf Krankenhausaufenthalte, schwere Covid-19-Verläufe und Tod noch einmal eine signifikante Verbesserung gegenüber zwei Impfungen mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer zeigt – die Zahlen gehen nach der 3. Impfung nahezu gegen null. In dieser Eindeutigkeit war das Ergebnis dieser Studie vor einigen Monaten noch nicht zu erwarten, als das KKNMS und die DMSG bereits auf der Basis damals vorliegender Erkenntnisse Personen mit MS und Behandlung mit Immuntherapeutika aus der Klasse der S1P-Agonisten und der B-Zell-depletierenden Therapien zu einer Auffrischungsimpfung geraten hatten (s. Stellungnahme vom 06.08.21).
Seit September 2021 hat auch die Ständige Impfkommission (STIKO) allen Personen mit Immundefizienz, wozu auch MS-Patienten unter einer Immuntherapie gezählt werden, eine Auffrischungsimpfung sechs Monate nach der 2. Impfdosis empfohlen und diese Empfehlung seit Mitte November auf alle Erwachsenen ab 18 Jahren ausgedehnt (https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Empfehlungen/PM_2021-09-24.html und www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Empfehlungen/PM_2021-11-18.html).
Vor diesem Hintergrund hat der Fachausschuss „Versorgungsstrukturen und Therapeutika“ des KKNMS zusammen mit der DMSG und dem Berufsverband Deutscher Neurologen (BDN) seine Stellungnahme spezifiziert und aktualisiert:
- Allen Personen mit MS wird empfohlen, sich eine Auffrischungsimpfung (Booster-Impfung) gegen SARS-CoV2 mit einem mRNA Impfstoff geben zu lassen.
- Insbesondere richtet sich diese Empfehlung an Personen mit MS, die eine Immuntherapie mit S1P-Modulatoren (Fingolimod, Siponimod, Ozanimod oder Ponesimod) oder einer B-Zell depletierenden Therapie (Rituximab, Ocrelizumab oder Ofatumumab) durchführen. Da diese Gruppen eine im Mittel abgeschwächte Antikörperantwort auf die Impfung haben, sollte angesichts der aktuell hohen Inzidenzen und der Tatsache, dass bereits eine Woche nach der Booster-Impfung ein deutlich besserer Schutz besteht, die Auffrischung möglichst bald erfolgen. Für diese Patientengruppen kann bereits nach vier Wochen eine Auffrischungsimpfung erfolgen, um einen vollständigen Impfschutz zu erreichen.
Überlegungen zur Wirkung der aktuellen Impfstoffe auf neue Varianten oder Erwartungen von Zulassungen neuer Impfstoffe (z.B. adjunvantierte Impfstoffe), sollten derzeit für die Impfentscheidung keine Rolle spielen. „Auch wenn bisher wenig zu weiteren Virusmutationen bekannt ist, so lässt sich sicher sagen, dass es auch bei neuen Formen des Virus bislang in jedem Fall besser ist, geimpft als nicht geimpft zu sein“, so Prof. Heinz Wiendl, Direktor der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Münster, Sprecher des Vorstands des Kompetenznetz Multiple Sklerose und Vorstandsmitglied im Ärztlichen Beirat des DMSG-Bundesverbandes. Es wäre daher anzustreben, dass – bis auf wenige individuelle Ausnahmen – alle Patienten mit Multipler Sklerose vollständig gegen SARS-CoV2 geimpft sind, vorzugsweise mit drei Impfdosen der aktuellen mRNA Impfstoffe, auch wenn noch keine Daten zu MS-spezifischen Reaktionen für die dritte Impfung vorliegen. „Höchstwahrscheinlich ist die dritte Impfung ebenso wie bei vielen anderen Totimpfstoffen notwendig für die volle Ausprägung des Impfschutzes“, erklärt Prof. Frauke Zipp, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universitätsmedizin Mainz, Stellvertretende Sprecherin des Vorstands des KKNMS und Vorstandsmitglied im Ärztlichen Beirat des DMSG-Bundesverbandes.
Allgemeiner Hinweis zur Impfung (mit Ausnahme von Lebendimpfstoffen) von Personen mit MS:
Die Diagnose MS stellt prinzipiell keine Kontraindikation gegen Impfungen dar. Durch Impfungen vermeidbare Infektionen können einerseits schwerwiegende Erkrankungen verursachen, andererseits bei MS-Patienten darüber hinaus Schübe auslösen und zur Krankheitsverschlechterung beitragen. Dieses Risiko ist grundsätzlich als höher einzuschätzen als potenzielle Risiken durch Impfungen. Personen mit MS sollten daher entsprechend den allgemeinen von der STIKO des Robert Koch-Institutes empfohlenen Impfungen im Erwachsenenalter geimpft werden. Zu Impfungen bei MS-Patienten, die ein Immuntherapeutikum erhalten, gibt es bislang nur begrenzt Daten. Sorge ist hier ein vermindertes Ansprechen auf die Impfung. Um einen Impferfolg zu unterstützen, sollten Impfungen idealerweise mindestens sechs Wochen vor Einleitung einer Immuntherapie abgeschlossen sein. Grundsätzlich sind Impfungen mit Totimpfstoffen auch unter Therapien, die Immunzellen aus dem Körper entfernen („Zell-depletierende Therapien“) möglich, das Ansprechen auf die Impfung kann unter solchen Therapien allerdings vermindert sein. Idealerweise sollten Impfungen zwar frühestens vier Monate nach Behandlung mit depletierenden Therapien (gemeint ist hier die jeweilige Medikamentengabe) erfolgen, bei aktivem Infektionsgeschehen kann jedoch auch von dieser Faustregel abgewichen werden und eine frühere Impfung erfolgen.
Update: Kinder und Covid-19-Impfung
In Abwägung aller bisher vorhandenen Daten empfiehlt die STIKO die Covid-19-Impfung für Kinder im Alter von 5-11 Jahren mit verschiedenen Vorerkrankungen. Zusätzlich wird die Impfung Kindern empfohlen, in deren Umfeld sich Kontaktpersonen mit hohem Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf befinden, die selbst nicht oder nur unzureichend durch eine Impfung geschützt werden können (z. B. Hochbetagte sowie Immunsupprimierte). Es ist empfohlen, die Impfung mit zwei Impfstoffdosen des mRNA-Impfstoffs Comirnaty (10µg) im Abstand von 3-6 Wochen durchzuführen. Ziel der Empfehlung ist es u.a. schwere COVID-19-Verläufe und Todesfälle bei Kindern im Alter von 5-11 Jahren zu verhindern. Die Empfehlung der STIKO für Kinder von 5 bis 11 Jahren erscheint mit der wissenschaftlichen Begründung zeitnah im Epidemiologischen Bulletin.
Quellen
[1] Barda N. et al. Lancet 2021 Oct 29: S0140-6736(21)02249-2
[2] www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Empfehlungen/PM_2021-09-24.html
[3] www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Empfehlungen/PM_2021-11-18.html
[4] Robert Koch Institut. Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten und Public Health – Epidemiologisches Bulletin (39) 2021 Sep 30.
[5] Pressemitteilung der STIKO, 2021 Dezember 09.
Quelle: Gemeinsame PM von DMSG-Bundesverband, KKNMS und BDN - 10.12.2021
Redaktion: DMSG Bundesverband e.V. - 13.12.2021