Überarbeitete Multiple Sklerose Leitlinie durch die Deutsche Gesellschaft für Neurologie veröffentlicht
Neue Living-Guideline zur Multiplen Sklerose mit Patientenpartizipation im Fokus: Die S2k-Leitlinie „Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose, Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen und MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen“, eine der ersten Living-Guidelines der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), wurde turnusmäßig überarbeitet. Mit zwei neuen Kapiteln, eines zum Lebensstil-Management, ein weiteres zur patientenzentrierten Kommunikation, stärkt die dritte Leitlinienüberarbeitung die Patientenpartizipation. Des Weiteren wurden die Therapie der Symptome komplett überarbeitet – und erstmalig neue Therapieformen wie die CAR-T-Zelltherapie eingeordnet.
Was ist hinzugekommen? Mit zwei neuen Kapiteln rückt die Leitlinie die Patientenpartizipation in den Fokus: Als neues Kapitel wurde das Lebensstil-Management aufgenommen, um der Bedeutung dieser von Menschen mit MS selbst modifizierbaren Faktoren Rechnung zu tragen. Weiterhin wurde ein Kapitel zur patientenzentrierten Kommunikation ergänzt, da diese für die vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung und das Patient-Empowerment wesentlich sind. „Für den Behandlungserfolg ist es wichtig, die Patientinnen und Patienten aktiv in Therapieentscheidungen miteinzubeziehen und sie dazu zu ermutigen, ihren Krankheitsverlauf selbst positiv zu beeinflussen, z. B. durch Anpassung des Lebensstils und eine gute Adhärenz“, erklärt Prof. Dr. Bernhard Hemmer, München, einer der beiden federführenden Leitlinienautoren und Vorstandsmitglied im Ärztlichen Beirat des DMSG-Bundesverbandes.
Die Empfehlungen zur Therapie der Symptome wurden komplett überarbeitet, und es wird auch erstmals der Einsatz von Generika und Biosimilars bei den Immuntherapeutika thematisiert. Zelltherapien wurden neu bewertet bzw. neu aufgenommen: So kann die autologe Stammzelltherapie erwogen werden, wenn es zu Krankheitsdurchbruch unter einer Medikation der Wirksamkeitskategorie 3 kommt. Die CAR-T Zelltherapie stellt ein neues innovatives Verfahren zur Behandlung von B-zellvermittelten Autoimmunerkrankungen dar. Obwohl die Therapie in Einzelfällen auch bei der MS eingesetzt wurde, ist aktuell eine Bewertung der Wirkung und Risiken noch nicht möglich. Eine Anwendung des Verfahrens außerhalb von klinischen Studien ist deshalb aktuell nicht zu empfehlen.
Ein Schwerpunkt der aktuellen Fassung liegt auf der Beteiligung der MS-Erkrankten: Als neues Kapitel wurde das Lebensstil-Management aufgenommen, um der Bedeutung der Faktoren, mit denen Menchen mit MS selbst positiv auf das Krankheitsgeschehen Einfluss nehmen können, Rechnung zu tragen. Dazu zählen beispielsweise eine hohe körperliche Aktivität und Sport. Die Leitlinie empfiehlt allen MS-Erkrankten, deren Behinderungsgrad auf der „Expanded Disability Status Scale“ (EDSS) unter 7 liegt, 75 Minuten lang ein intensives oder 150 Minuten lang ein moderates Ausdauertraining pro Woche zu absolvieren. Ebenso wichtig sei die Vermeidung von Übergewicht und Tabakkonsum. Beide Faktoren beeinflussen den Verlauf der Erkrankung negativ.
„Für den Behandlungserfolg ist es wichtig, die Patientinnen und Patienten zu ermutigen, diese Optionen voll auszuschöpfen“, betont Prof Dr. Peter Berlit, DGN-Generalsekretär. Im klinischen Alltag werde oft auf die medikamentöse Therapie fokussiert, so dass diese Aspekte häufig zu kurz kämen. „Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie begrüßt es daher sehr, dass die Möglichkeit der positiven Beeinflussung des weiteren Krankheitsverlaufs durch Lebensstilanpassungen in den Behandlungsleitlinien fest verankert sind.“
,,Die Erstellung von krankheitsspezifischen Leitlinien ist immer ein gemeinschaftliches Werk unter Beteiligung aller, die diese Erkrankung betrifft – mittelbar und unmittelbar. Wir brauchen die Sicht der Therapeuten, aber eben auch unbedingt die Expertise von Erkrankten. Konkret heißt es im Regelwerk der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) dazu: ,Die Berücksichtigung der Ansichten und Präferenzen der Betroffenen sollte, wann immer möglich, durch direkte Beteiligung erfolgen’’, erläutert Leitliniensekretär Professor Dr. Berthele zur Arbeit der Kommission.
Die Leitlinie „Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose, Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen und MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen“ wird von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie unter Federführung von Prof. Dr. Bernhard Hemmer, München, und Dr. Klaus Gehring, Itzehoe, herausgegeben und von folgenden Verbänden und Fachgesellschaften unterstützt: Schweizerische Neurologische Gesellschaft (SNG-SSN); Österreichische Gesellschaft für Neurologie (ÖGN); Berufsverband Deutscher Neurologen (BDN) e. V.; Berufsverband Deutscher Nervenärzte (BVDN) e. V.; Deutsche Gesellschaft für Ergotherapiewissenschaft (DGEW e. V.; Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) e. V.; Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) e. V.; Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) e. V.; Deutsche Gesellschaft für Neurorehabilitation (DGNR) e. V.; Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) e. V.; Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) e. V.; Deutschsprachige Gesellschaft für Paraplegiologie (DMGP) e. V.; Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) Bundesverband e. V.; Deutscher Verband Ergotherapie (DVE) e.V.; Gesellschaft für Neuropädiatrie (GNP) e. V.; Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben (ISL) e. V.; NeurologyFirst, unabhängige Initiative von Neurologen; Neuromyelitis optica Studiengruppe (NEMOS); Physio Deutschland - Deutscher Verband für Physiotherapie (ZVK) e. V.
Weitere Hinweise und Einschätzungen werden in Kürze in der Mitgliederzeitschrift aktiv! des DMSG-Bundesverbandes veröffentlicht.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) - 24.02.2025
Redaktion: DMSG-Bundesverband - 25.02.2025